Dr. Klaus Heer

Leseprobe, aus Das Magazin 47/2005

Das Kunststück Ehe

Text: Klaus Heer   Bilder: Lorenz Meier

Für gewöhnlich kennt man nur wenige Szenen einer Ehe – die eigenen. Der Paartherapeut Klaus Heer erlaubt uns nun einen Blick in fremde vier Wände. Die Schweiz, privat.

Manchmal fällt einem beim besten Willen kein einziges Paar ein, das miteinander glücklich wirkt. Stattdessen hört man überall nur von Streit und Trennung. Dann versucht man sich damit zu beruhigen, dass der Schein vielleicht trügt (die Wahrheit viel besser ist, als sie aussieht) oder dass man als Aussenstehender gar nicht dahinter zu schauen vermag, was zwei Menschen zu einem grossen Glück zusammenbindet.

Der Berner Paartherapeut Klaus Heer wollte es genau wissen. Über drei Jahre lang fragte er sieben Frauen und sieben Männer im Private Chat immer wieder über ihr Beziehungsleben aus. Alle vierzehn leben 20 bis 51 Jahre mit ihren Partnern zusammen; diese wussten nichts von der Internet-Korrespondenz mit Heer. Namen und Lebensumstände wurden anonymisiert.

Herausgekommen sind eindrückliche, sehr ehrliche Protokolle, die durch die Parallelität der Erfahrungen fast schockieren. Man liest fasziniert, weil man so vieles aus dem eigenen Leben wiedererkennt, und denkt traurig, wie sehr sich das Dilemma im Kleinen und Grossen doch gleicht – der Kampf hört nie auf. Nicht mal nach einem halben Jahrhundert Ehe. Und genau das tröstet einen am Ende wieder: Überall ist es das Gleiche, der Kampf geht weiter.

Was verblüfft, ist, dass man lediglich die eine Seite erfährt, nur die Perspektive des einen Ehepartners, und dadurch dennoch nie verführt wird, ungerecht zu werden und Partei zu ergreifen. Denn die persönliche Empirie lehrt einen, dass vermutlich auch der Gegenpart kein leichter ist. So gelingt es einem, obwohl einer stumm bleibt, sich das Bild von einem Paar zu konstruieren. Und das ist, wie durch ein Wunder, am Ende kein Mosaik mehr, sondern: komplett.

Wir veröffentlichen stark gekürzte Auszüge aus Klaus Heers neuem Buch «Paarlauf». In den Chats mit zwei Männern und zwei Frauen spielen die schrecklich bekannten Beziehungsmotive eine Rolle: Ermüdung, Lustlosigkeit, Betrug und Selbstbetrug, Kälte. Aber auch Hoffnung – darauf, dass die Schlacht noch nicht verloren ist.
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor