20minuten vom 21. November 2020
«Ohne Orgasmus fühle ich mich viel aktiver»
Im sogenannten No-Nut-November üben einige Männer diesen Monat die absolute Enthaltsamkeit. Die Community berichtet von ihren Erfahrungen.
VON VINCENT VOGLER UND MERET STEIGER
VON VINCENT VOGLER UND MERET STEIGER
Darum geht’s
- Im No-Nut-November verzichten die Teilnehmer einen Monat auf einen Orgasmus.
- Leser Lino (22) hat schon in den vergangenen Jahren mitgemacht: «Ich merke, dass ich unternehmungsfreudiger werde und mehr Kraft habe.»
- Der Berner Paartherapeut Klaus Heer bestätigt, dass sexuelle Enthaltsamkeit besondere Gefühle mit sich bringt.
Die No-Nut-Challenge hat sich ab 2017 von den USA aus im Internet verbreitet: 30 Tage lang sollten Männer dabei auf jegliche sexuelle Aktivität verzichten und insbesondere keinen Samenerguss haben (Nut = Ejakulation).
Die Idee fand weltweit Fans – wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen: Einige Männer wollen damit ihre Pornosucht zügeln, andere sammeln Geld für Prostatakrebs-Patienten, und wieder andere glauben an Superkräfte, die sich mit der Enthaltsamkeit entwickeln sollen.
Der Ursprung der Challenge liegt wahrscheinlich in der sogenannten No-Fap-Bewegung, einer Community, der sich Männer anschliessen, die sich von ihrer Porno- und Sexsucht befreien wollen.
Die Idee fand weltweit Fans – wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen: Einige Männer wollen damit ihre Pornosucht zügeln, andere sammeln Geld für Prostatakrebs-Patienten, und wieder andere glauben an Superkräfte, die sich mit der Enthaltsamkeit entwickeln sollen.
Der Ursprung der Challenge liegt wahrscheinlich in der sogenannten No-Fap-Bewegung, einer Community, der sich Männer anschliessen, die sich von ihrer Porno- und Sexsucht befreien wollen.
Was ist die «No-Fap-Bewegung
«No Fap» ist ein Internetforum und die daraus hervorgegangene Bewegung von Menschen, die das Masturbieren und den Konsum von Pornografie freiwillig einschränken. Der Name kommt vom englischen «to fap», ein umgangssprachlicher Begriff für männliche Masturbation. Während anfangs auch hauptsächlich Männer Teil dieser Bewegung waren, wird «No Fap» mittlerweile auch von Frauen praktiziert. Bei «No Fap» geht es aber nicht um den Verzicht auf partnerschaftliches Zusammensein oder den Austausch von Intimität – die ist weiterhin gewollt, der Orgasmus einfach nicht das Ziel.
«No Fap» ist ein Internetforum und die daraus hervorgegangene Bewegung von Menschen, die das Masturbieren und den Konsum von Pornografie freiwillig einschränken. Der Name kommt vom englischen «to fap», ein umgangssprachlicher Begriff für männliche Masturbation. Während anfangs auch hauptsächlich Männer Teil dieser Bewegung waren, wird «No Fap» mittlerweile auch von Frauen praktiziert. Bei «No Fap» geht es aber nicht um den Verzicht auf partnerschaftliches Zusammensein oder den Austausch von Intimität – die ist weiterhin gewollt, der Orgasmus einfach nicht das Ziel.
«Am Ende der Challenge musste ich meine Schmerzen durch Masturbation lösen»
Auch 20-Minuten-Leser Lino K.* (22) hat Erfahrung mit dem No-Nut-November und erzählt von seiner freiwilligen sexuellen Abstinenz: «Mein Kollege und ich machen das dritte Jahr in Folge mit. Alles begann damals mit einer Wette: Derjenige, der den No-Nut-November als Erster nicht durchhält und sexuell aktiv wird, muss dem anderen einen Abend lang den Ausgang bezahlen. Das Bewältigen der Challenge war und ist jedes Jahr hart.
Ich versuche, mich mit Sport abzulenken, und vermeide aufreizenden Kontakt mit Frauen. Zu meiner Überraschung funktionierte das auf Anhieb gut, und ich konnte es schon beim ersten Versuch durchziehen. Doch nicht nur das war überraschend: Ich habe mich auch plötzlich besser gefühlt. In der ersten Woche, in der ich enthaltsam lebe, merke ich keine Veränderung, doch in der zweiten Woche habe ich plötzlich einen Energieschub, der bis zum Ende der Challenge anhält. Ich merke, dass ich unternehmungsfreudiger werde und mehr Kraft habe.
Zu lange sollte man aber nicht auf sexuelle Aktivitäten verzichten: Letztes Jahr im November spürte ich gegen Ende des Monats starke Schmerzen in meinem Schritt. Ich habe im Internet nachgeschaut, was man dagegen tun kann. Mir wurde Masturbation vorgeschlagen. Und tatsächlich: Danach waren die Schmerzen weg. Der No-Nut-November hat mich dennoch überzeugt. Bevor ich zum ersten Mal teilgenommen habe, habe ich fast jeden Abend masturbiert und war antriebslos. Durch die Challenge lernte ich, bewusster zu masturbieren und es nicht nur zu machen, weil mir langweilig ist oder ich nicht schlafen kann.»
Muskulatur der Samenwege kann verkrampfen
Der Berner Paartherapeut Klaus Heer bestätigt, dass sexuelle Enthaltsamkeit besondere Gefühle mit sich bringt: «Sexuelle Abstinenz schärft Sinne und Verlangen. Sie ist viel mächtiger als Porno, Drogen oder sexueller Megakonsum.» Zeitlich begrenzter Sexverzicht wirke als regelrechter Brandbeschleuniger im Bett. Doch kann die Enthaltsamkeit gesundheitsschädlich sein? «Nein. Männliche Sexualität ist keine hydraulische Maschinerie, die zwingend regelmässige Entladung braucht, damit sie nicht zu Bruch geht. Sex ist ein wunderbarer Luxus», so Heer.
Zu Schmerzen könne es aber trotzdem kommen: «Nach einiger Zeit ohne Orgasmus ist es möglich, dass sich die Muskulatur der Samenwege verkrampft. Das kann vorkommen, wenn man keine Übung darin hat, Sex ohne einen Höhepunkt zu geniessen», sagt er. Diese sogenannten Kavaliersschmerzen seien allerdings harmlos und würden sich von selbst wieder lösen.*Name der Redaktion bekannt
Auch 20-Minuten-Leser Lino K.* (22) hat Erfahrung mit dem No-Nut-November und erzählt von seiner freiwilligen sexuellen Abstinenz: «Mein Kollege und ich machen das dritte Jahr in Folge mit. Alles begann damals mit einer Wette: Derjenige, der den No-Nut-November als Erster nicht durchhält und sexuell aktiv wird, muss dem anderen einen Abend lang den Ausgang bezahlen. Das Bewältigen der Challenge war und ist jedes Jahr hart.
Ich versuche, mich mit Sport abzulenken, und vermeide aufreizenden Kontakt mit Frauen. Zu meiner Überraschung funktionierte das auf Anhieb gut, und ich konnte es schon beim ersten Versuch durchziehen. Doch nicht nur das war überraschend: Ich habe mich auch plötzlich besser gefühlt. In der ersten Woche, in der ich enthaltsam lebe, merke ich keine Veränderung, doch in der zweiten Woche habe ich plötzlich einen Energieschub, der bis zum Ende der Challenge anhält. Ich merke, dass ich unternehmungsfreudiger werde und mehr Kraft habe.
Zu lange sollte man aber nicht auf sexuelle Aktivitäten verzichten: Letztes Jahr im November spürte ich gegen Ende des Monats starke Schmerzen in meinem Schritt. Ich habe im Internet nachgeschaut, was man dagegen tun kann. Mir wurde Masturbation vorgeschlagen. Und tatsächlich: Danach waren die Schmerzen weg. Der No-Nut-November hat mich dennoch überzeugt. Bevor ich zum ersten Mal teilgenommen habe, habe ich fast jeden Abend masturbiert und war antriebslos. Durch die Challenge lernte ich, bewusster zu masturbieren und es nicht nur zu machen, weil mir langweilig ist oder ich nicht schlafen kann.»
Muskulatur der Samenwege kann verkrampfen
Der Berner Paartherapeut Klaus Heer bestätigt, dass sexuelle Enthaltsamkeit besondere Gefühle mit sich bringt: «Sexuelle Abstinenz schärft Sinne und Verlangen. Sie ist viel mächtiger als Porno, Drogen oder sexueller Megakonsum.» Zeitlich begrenzter Sexverzicht wirke als regelrechter Brandbeschleuniger im Bett. Doch kann die Enthaltsamkeit gesundheitsschädlich sein? «Nein. Männliche Sexualität ist keine hydraulische Maschinerie, die zwingend regelmässige Entladung braucht, damit sie nicht zu Bruch geht. Sex ist ein wunderbarer Luxus», so Heer.
Zu Schmerzen könne es aber trotzdem kommen: «Nach einiger Zeit ohne Orgasmus ist es möglich, dass sich die Muskulatur der Samenwege verkrampft. Das kann vorkommen, wenn man keine Übung darin hat, Sex ohne einen Höhepunkt zu geniessen», sagt er. Diese sogenannten Kavaliersschmerzen seien allerdings harmlos und würden sich von selbst wieder lösen.*Name der Redaktion bekannt
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor