20minuten vom 25. November 2020
«Bei vielen Schweizer Paaren ist das Feuer im Bett erloschen»
Tote Hose statt Sex à gogo: Experten erklären, warum sich mit der Pandemie bei vielen Paaren die Lustlosigkeit ins Bett schleicht.
VON JULIA ULLRICH UND ZORA SCHAAD
VON JULIA ULLRICH UND ZORA SCHAAD
Darum geht’s
- Der während des Lockdown erwartete Babyboom ist ausgeblieben.
- Obwohl viele Menschen aufgrund von Kurzarbeit mehr Zeit für ihre eigenen Interessen haben, scheint Sex mit dem Partner für viele nicht dazuzugehören.
- Die Community erzählt von ihrem Sexfrust.
- Experten geben Tipps, wie man die Sexflaute überwinden kann.
Geschlossene Clubs und Auflagen für Bars lassen derzeit so manche Singles verzweifeln. Eine schnelle Nummer ist in Zeiten der Coronapandemie fast nicht möglich, ausser man widersetzt sich dem Appell des Bundesrats. Doch auch Paare leiden unter der aktuellen Situation. Entgegen den Erwartungen rechnen Schweizer Ärzte nun doch nicht mehr mit einem Babyboom in Folge des Lockdown. Zwar haben viele Menschen wegen Kurzarbeit, abgesagter Veranstaltungen und geschlossener Lokale mehr Zeit für eigene Interessen – mehr Sex mit dem Partner scheint aber für viele nicht dazuzugehören. Drei Leserinnen schildern ihren Frust:
«Wir sind gereizt von der Situation und der Arbeit – darunter leidet der Sex.»
Leserin S. (28) beobachtet die Lustlosigkeit nicht nur bei sich selbst, sondern auch bei ihrem Partner: «Wir wohnen seit rund vier Jahren zusammen und seit dem Lockdown ist nichts mehr so, wie es war. Die Lust auf Sex jeden zweiten Tag ist erloschen, und mein Partner und ich sind beide mehr und mehr gereizt von der Arbeit und der allgemeinen Situation. Wir haben früher viel mehr miteinander unternommen, doch jetzt stecken wir irgendwie fest. Die verlorene Lust geht wahrscheinlich eher von meiner Seite aus. Wenn ich dann doch mal mit ihm zärtlich werden möchte, lässt er sich aber auch nicht mehr richtig dazu animieren. Ich weiss nicht, wo das noch hinführen wird.»
«Mir fiel die Decke auf den Kopf – also suchte ich mir eine Affäre.»
Leserin M. (26) hat wegen der ständigen Nähe zu ihrem Partner keine Lust mehr auf Sex mit ihm: «Seit mein Partner wegen Corona die ganze Zeit im Homeoffice ist, fällt mir die Decke auf den Kopf. Nichts kann ich mehr allein machen, überall ist er dabei. Es fallen einem mehr störende Dinge auf, das alles vermindert die Lust auf gemeinsamen Sex oder Nähe.» Eine Trennung sei für sie aber keine Option: «Wir wohnen erst seit einigen Monaten zusammen und sind an einen gemeinsamen Mietvertrag gebunden. Ich suchte also eine Lösung, ohne gleich alles aufzugeben oder mein Leben grundsätzlich auf den Kopf zu stellen.»
Deshalb wich M. in eine Affäre aus. «Ich brauche Aufmerksamkeit und körperliche Nähe. Deshalb habe ich eine Affäre mit einem Bekannten aus unserem gemeinsamen Freundeskreis angefangen. Es wird mir aber bereits zu viel, weshalb ich das Verhältnis bald beenden werde.» Wie es mit ihrer Beziehung weitergehe, wisse sie noch nicht. «Aber ich habe mir mit dem Seitensprung das Leben längerfristig sicher nicht einfacher gemacht.»
«Das Coronavirus hat uns die Leichtigkeit aus der Beziehung genommen.»
Ähnlich gestresst von der Situation ist auch Leserin V. (59). Ihr Partner ist erst im Juni in die Schweiz gezogen, doch schon jetzt kriselt es zwischen den beiden: «Wir haben uns letztes Jahr kennen gelernt und freuten uns sehr, dass wir uns nach der Grenzschliessung im Frühjahr endlich sehen konnten. Aber der Alltag hat uns so schnell eingeholt. Das Thema Corona ist allgegenwärtig, und man kann sich dem kaum entziehen. Das hat uns die Leichtigkeit und die Leidenschaft aus der Beziehung genommen.»
«Frauen und Männer haben zurzeit weniger Lust auf Sex»
Die Leserinnen sind mit ihrem Sexfrust nicht allein. Paar- und Sexualtherapeut Ben Kneubühler bestätigt, dass mit der Pandemie das Feuer im Bett bei vielen Paaren erloschen ist. «In meiner Beratung melden sich viele Paare, weil sie wegen der Corona-Krise kaum noch Sex haben.» Die Pandemie und der Beinahe-Lockdown würden die Menschen psychisch belasten und andere Bedürfnisse wichtiger werden lassen. «Eine verbreitete Lustlosigkeit ist die Folge.»
Problematisch sei die mangelnde Libido vor allem deshalb, weil sie meistens nicht beide Partner gleich treffe. «Ein Geschlechtsunterschied bemerke ich dabei allerdings nicht: Frauen und Männer äussern in meiner Beratung ungefähr zu gleichen Teilen, dass sie einfach keine Lust auf Sex mehr verspürten.»
«Offene Kommunikation ist wichtig!»
Auch Paartherapeut Klaus Heer bestätigt, dass die «globale Seuchenstimmung» nicht an der Bettkante haltmacht. Er rät daher, eine offene Kommunikation zu pflegen: «Auf einem längeren Spaziergang könnte man beispielsweise gemeinsam herausfinden, was man tun oder nicht tun müsste, um sich nur noch halb so viel zu nerven wie jetzt. Da sind Fantasie und Kreativität gefragt.»
Doch was tun, wenn nur ein Partner keine Lust auf Intimität hat? Heer empfiehlt: «Der lustlose Partner müsste die Chance bekommen, ausführlich seinen Ablöscher zu beschreiben. Das heisst: Was fehlt und was stört? Doch das ist nur dann hilfreich, wenn sich sein Gegenüber für diese wichtigen Infos wirklich interessiert. Denn Sexüberdruss ist meistens einseitig verteilt.»
«Wir sind gereizt von der Situation und der Arbeit – darunter leidet der Sex.»
Leserin S. (28) beobachtet die Lustlosigkeit nicht nur bei sich selbst, sondern auch bei ihrem Partner: «Wir wohnen seit rund vier Jahren zusammen und seit dem Lockdown ist nichts mehr so, wie es war. Die Lust auf Sex jeden zweiten Tag ist erloschen, und mein Partner und ich sind beide mehr und mehr gereizt von der Arbeit und der allgemeinen Situation. Wir haben früher viel mehr miteinander unternommen, doch jetzt stecken wir irgendwie fest. Die verlorene Lust geht wahrscheinlich eher von meiner Seite aus. Wenn ich dann doch mal mit ihm zärtlich werden möchte, lässt er sich aber auch nicht mehr richtig dazu animieren. Ich weiss nicht, wo das noch hinführen wird.»
«Mir fiel die Decke auf den Kopf – also suchte ich mir eine Affäre.»
Leserin M. (26) hat wegen der ständigen Nähe zu ihrem Partner keine Lust mehr auf Sex mit ihm: «Seit mein Partner wegen Corona die ganze Zeit im Homeoffice ist, fällt mir die Decke auf den Kopf. Nichts kann ich mehr allein machen, überall ist er dabei. Es fallen einem mehr störende Dinge auf, das alles vermindert die Lust auf gemeinsamen Sex oder Nähe.» Eine Trennung sei für sie aber keine Option: «Wir wohnen erst seit einigen Monaten zusammen und sind an einen gemeinsamen Mietvertrag gebunden. Ich suchte also eine Lösung, ohne gleich alles aufzugeben oder mein Leben grundsätzlich auf den Kopf zu stellen.»
Deshalb wich M. in eine Affäre aus. «Ich brauche Aufmerksamkeit und körperliche Nähe. Deshalb habe ich eine Affäre mit einem Bekannten aus unserem gemeinsamen Freundeskreis angefangen. Es wird mir aber bereits zu viel, weshalb ich das Verhältnis bald beenden werde.» Wie es mit ihrer Beziehung weitergehe, wisse sie noch nicht. «Aber ich habe mir mit dem Seitensprung das Leben längerfristig sicher nicht einfacher gemacht.»
«Das Coronavirus hat uns die Leichtigkeit aus der Beziehung genommen.»
Ähnlich gestresst von der Situation ist auch Leserin V. (59). Ihr Partner ist erst im Juni in die Schweiz gezogen, doch schon jetzt kriselt es zwischen den beiden: «Wir haben uns letztes Jahr kennen gelernt und freuten uns sehr, dass wir uns nach der Grenzschliessung im Frühjahr endlich sehen konnten. Aber der Alltag hat uns so schnell eingeholt. Das Thema Corona ist allgegenwärtig, und man kann sich dem kaum entziehen. Das hat uns die Leichtigkeit und die Leidenschaft aus der Beziehung genommen.»
«Frauen und Männer haben zurzeit weniger Lust auf Sex»
Die Leserinnen sind mit ihrem Sexfrust nicht allein. Paar- und Sexualtherapeut Ben Kneubühler bestätigt, dass mit der Pandemie das Feuer im Bett bei vielen Paaren erloschen ist. «In meiner Beratung melden sich viele Paare, weil sie wegen der Corona-Krise kaum noch Sex haben.» Die Pandemie und der Beinahe-Lockdown würden die Menschen psychisch belasten und andere Bedürfnisse wichtiger werden lassen. «Eine verbreitete Lustlosigkeit ist die Folge.»
Problematisch sei die mangelnde Libido vor allem deshalb, weil sie meistens nicht beide Partner gleich treffe. «Ein Geschlechtsunterschied bemerke ich dabei allerdings nicht: Frauen und Männer äussern in meiner Beratung ungefähr zu gleichen Teilen, dass sie einfach keine Lust auf Sex mehr verspürten.»
«Offene Kommunikation ist wichtig!»
Auch Paartherapeut Klaus Heer bestätigt, dass die «globale Seuchenstimmung» nicht an der Bettkante haltmacht. Er rät daher, eine offene Kommunikation zu pflegen: «Auf einem längeren Spaziergang könnte man beispielsweise gemeinsam herausfinden, was man tun oder nicht tun müsste, um sich nur noch halb so viel zu nerven wie jetzt. Da sind Fantasie und Kreativität gefragt.»
Doch was tun, wenn nur ein Partner keine Lust auf Intimität hat? Heer empfiehlt: «Der lustlose Partner müsste die Chance bekommen, ausführlich seinen Ablöscher zu beschreiben. Das heisst: Was fehlt und was stört? Doch das ist nur dann hilfreich, wenn sich sein Gegenüber für diese wichtigen Infos wirklich interessiert. Denn Sexüberdruss ist meistens einseitig verteilt.»
Gibt es wegen Corona mehr Trennungen?
Nein, nachweislich gibt es seit der Covid-19-Pandemie nicht mehr Trennungen als sonst. Laut Scheidungsagentur.ch ist es zwar eine Tatsache, dass wegen Corona viele Paarbeziehungen auf den Prüfstand gestellt wurden. «Ob diese Faktoren aber effektiv zu mehr Trennungen und Scheidungen geführt haben und führen werden, lässt sich derzeit nicht erhärten», sagt Sandro Genna, Geschäftsführer der Scheidungsagentur.
Aktuelle Scheidungen würden teilweise erst in Monaten oder Jahren in die Statistik einfliessen. «Aufgefallen ist mir aber, dass sich mehrere Leute mit ihren Rechten im Fall einer Scheidung beschäftigt haben. Der Gedanke daran ist also da», so Genna.
Nein, nachweislich gibt es seit der Covid-19-Pandemie nicht mehr Trennungen als sonst. Laut Scheidungsagentur.ch ist es zwar eine Tatsache, dass wegen Corona viele Paarbeziehungen auf den Prüfstand gestellt wurden. «Ob diese Faktoren aber effektiv zu mehr Trennungen und Scheidungen geführt haben und führen werden, lässt sich derzeit nicht erhärten», sagt Sandro Genna, Geschäftsführer der Scheidungsagentur.
Aktuelle Scheidungen würden teilweise erst in Monaten oder Jahren in die Statistik einfliessen. «Aufgefallen ist mir aber, dass sich mehrere Leute mit ihren Rechten im Fall einer Scheidung beschäftigt haben. Der Gedanke daran ist also da», so Genna.
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor