Dr. Klaus Heer

Wenn eine langjährige Partner­schaft in die Brüche geht oder der Partner stirbt, bedeutet dies für viele ältere Menschen zu­ nächst einen tiefen Einschnitt in ihren Alltag. Es braucht Zeit, das Geschehene zu verarbeiten. Ir­gendwann ist es aber an der Zeit, sich wieder auf neue Bekannt­schaften einzulassen, denn kaum jemand möchte im Alter allein sein.

Wie geht man eine Part­nersuche am besten an?
Klaus Heer ist Psychologe und seit 50 Jahren als Paartherapeut tätig. Im Lauf eines halben Jahr­hunderts sind viele Paare mit ihm gemeinsam älter geworden. Klaus Heer plädiert unermüdlich dafür, die Liebe vom Zuckerguss roman­tischer Illusionen zu befreien. Das mache das Zusammenleben ein­facher, wenn nicht sogar glücklicher. Er sagt: «Die guten alten Methoden ziehen aus meiner Sicht immer noch: gemeinsam singen, kochen, hünde­len, turnen, wandern, reisen und vieles mehr – alles, was zu Kontakten verhilft, schafft die Möglichkeit, je­manden kennenzulernen. Analoges Kennenlernen ist nicht nur wirkungs­voll, es hat auch einen fast unersetz­lichen Charme! Wer sich im Netz einigermassen zurechtfindet, kann seine Liebesfahndung noch weiter ausdehnen. Die Suche wird dadurch allerdings manchmal auch uferlos. Egal, ob ein persönliches Treffen oder ein Online­Dating oder eine Kombination aus beidem: Geduld und ein kühler Kopf sind in beiden Fällen der Schlüssel, um neue Bezie­hungen zu knüpfen.»

Worauf kommt es beim Dating an?
KLAUS HEER: «Seien Sie neugierig, ehrlich und immer etwas zurückhal­tend. Das ist anspruchsvoll. Sind Sie unsicher, ob Sie die drei Anforderun­gen gleichzeitig erfüllen können? Dann beziehen Sie einen Menschen mit ein, dem Sie vertrauen und der Ihnen bei der Suche zur Seite steht. Vier Hirnhälften sind vernünftiger als nur zwei. Und die Suche macht so viel mehr Spass!»

Selbstakzeptanz und Erwartungen
Es ist wichtig, die Vergangenheit zu akzeptieren und sich bewusst zu machen, dass eine neue Beziehung nicht bedeutet, alte Erinnerungen zu verdrängen, sondern neue Erfahrungen zu machen. Eine neue Bezie­hung wird sich von der vorherigen unterscheiden. Menschen ändern sich im Laufe ihres Lebens, und das Kennenlernen neuer Partner kann auch eine Chance sein, sich selbst neu zu entdecken. Man sollte sich fragen, was man von einer neuen Partnerschaft erwartet – Gesell­schaft, emotionale Nähe oder ein­fach gemeinsame Aktivitäten? Es muss ja nicht gleich eine ernsthafte Beziehung sein. Zunächst können freundschaftliche Begegnungen hel­fen, wieder Vertrauen zu anderen Menschen aufzubauen.

Viele Menschen haben Angst vor Ablehnung oder davor, nicht mehr attraktiv genug zu sein. Diese Ängste sollten offen angesprochen und mit nahestehenden Personen besprochen werden. Freunde oder Familienmit­glieder können ermutigen, begleiten oder auch neue Kontakte herstellen. Ein Coach oder Therapeut kann hel­fen, Blockaden zu überwinden und neue Perspektiven zu entwickeln. Sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und sich als wertvollen Menschen zu erleben, kann das Selbstvertrauen stärken und die Bereitschaft erhöhen, neue Menschen kennenzulernen. Of­fene und ehrliche Gespräche über Wünsche und Erwartungen sind der Schlüssel, um Missverständnisse zu vermeiden und eine gesunde Bezie­hung zu entwickeln.

Positives Mindset entwickeln
Seien Sie offen für Neues: Es ist von Vorteil, sich auf neue Erfahrungen und Begegnungen einzulassen. Statt dar­ auf zu warten, den «perfekten» Part­ ner zu finden, können Sie sich darauf konzentrieren, einfach interessante und nette Menschen kennenzulernen. Ein wenig Humor kann helfen, ange­spannte Situationen zu entschärfen, und eine entspannte Haltung kann den Druck in stressigen Momenten verringern.

Online­Dating­Plattformen
Es gibt inzwischen viele sichere und seriöse Plattformen speziell für ältere Menschen. Dies kann ein bequemer Weg sein, um andere Menschen ken­nenzulernen. Bleiben Sie geduldig und lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn es nicht gleich klappt. Jeder Kontakt ist eine neue Erfahrung.

Wie vermeidet man Enttäuschungen oder gar Liebesbetrug?
KLAUS HEER: «Waches Misstrauen muss einem jeden Augenblick über die Schulter schauen. Wie ein auf­merksamer Schutzengel. Geizen Sie also stets mit Vertrauensseligkeit und geben Sie persönliche Daten nur zögerlich heraus. Vor allem, wenn es – auch nur im Ansatz – um Geld geht und um Informationen, die Sie allen­ falls erpressbar machen könnten. Fotos zum Beispiel. Seien Sie vorsichtig, wenn Sie Honigfallen wittern. Möglichst sogar etwas früher! Online­Dating ist beson­ders attraktiv für Heiratsschwindler und Heiratsschwindlerinnen.»

Und nun liegt es an Ihnen: Setzen Sie Ihr strahlendstes Lächeln auf und los geht’s!