Natürlich, Ausgabe 5-2012
Bettgeflüster
INTERVIEW: SUSANNE STRÄSSLE
Meist geschieht es ohne Worte. Doch Paartherapeuten sind überzeugt: Reden über und beim Sex ist Balsam und Dünger für eine gute Liebesbeziehung. Offene Worte sind der Weg zu mehr Intimität.
Warum liegen den einen die Vokabeln der Lust auf der Zunge, während sie den meisten im Hals stecken bleiben? Viele schrecken vor Wörtern beim Liebespiel zurück oder fürchten, sie könnten die Magie der Sexualität zerreden. Doch Klaus Heer winkt ab. «Leute, die das sagen, haben meist noch gar nicht damit angefangen. Man kann Sexualität vor allem zerschweigen.» Und er meint hier nicht nur in der Erotik, sondern auch das Reden über die gemeinsame Sexualität. «Man macht es sich einfach sehr schwer, wenn man ausgerechnet dort, wo man ganz eng in Kontakt ist, das abstellt, was uns Menschen elementar ausmacht.»
Tonspuren für das Kopfkino
Beim erotischen Reden geht es eigentlich um etwas ganz Einfaches: Man gibt Einblick in sein inneres Empfinden, teilt mit, was in einem vorgeht. Oder auch schlicht, wo man gern berührt werden möchte und was einem gefällt, und räumt so erst noch Missverständnisse aus. «Die menschliche Sprache hat sich aus dem Bedürfnis heraus entwickelt, etwas zu zeigen. Auch von sich. Das ist in der Sexualität nicht anders», sagt Heer. Wirkungsvoll ist diese Sprache aber bloss, wenn sie authentisch ist: ohne Porno-Drehbuch, Tipps aus Zeitschriften oder vorgefertigte Sätze im Hinterkopf. Verbale Erotik ist im besten Sinn offene Improvisation. Wohl wissend, dass man sich hier mehr Blösse gibt, als mit blosser Nacktheit.
«Oft reicht eine fremde Umgebung, ein Lebensgefühl, eine Beobachtung und schon entwickeln sich Gefühle und Ideen. Es ist mehr eine Befindlichkeit, die mich inspiriert», erzählt Bea. «Natürlich könnte ich das einfach für mich behalten. Aber wenn ich es preisgebe, dann kommt mein Mann vielleicht mit auf die Reise. Das sind wir, ich und er, einfach in einer zusätzlichen Dimension, für Momente entrückt, und doch zugleich hellwach in unseren Köpfen und Körpern.» Sie frage sich natürlich manchmal auch, ob eine vollkommene Sexualität nicht völlig bilderfrei sein müsste. Klaus Heer glaubt jedoch, dass alle Menschen Bilder im Kopf haben. Körperfantasien, die uns selbst im Dunkeln visuelle Eindrücke von Berührungen liefern, von dem was passiert und passieren wird. Es liege im Wesen des Menschen, nie bloss Körper, sondern immer auch Geist und Herz zu sein. Für Heer ist aber entscheidend, dass die Tonspur auch wirklich zum laufenden Film gehört: «Dort, wo ich genau bin, mache ich den Ton. Wenn ich auf der Tonspur eine fremde Fantasie abspiele, fahre ich doppelt, und das stört. Sprache soll Präsenz ausdrücken, zeigen, dass ich ganz da bin.» Gehe es bloss um Erregung, werde es langweilig und hohl.
Erotische Zwiegespräche
Noch wichtiger für eine intakte und gesunde Beziehung ist, dass Paare über ihre Sexualität reden können. Ein gefährlicher Irrtum zu glauben, man kenne sich ohne diesen Austausch längst gut genug. Heer räumt auch energisch mit zwei Klischees auf. Erstens: Frauen seien in diesem Punkt nicht kommunikationsbegabter als Männer. «Die Unterschiede zwischen Du und Ich sind viel grösser als die zwischen Mann und Frau.» Und: Über Sexualität reden müsse nicht heissen, Probleme zu wälzen.
Über Sexualität reden kann heissen, sich immer wieder im Positiven darüber auszutauschen: Wie war es für jeden, was gefiel, was weniger? Dieser verbale Nachtisch kann zum lebendigen und durchaus genussvollen Teil der Beziehung werden. Den Wert des intensiven verbalen Austausches für Paare betont auch der deutsche Psychoanalytiker und Paartherapeut Michael Lukas Moeller in seinen «Erotischen Zwiegesprächen»: Dabei setzen sich Paare regelmässig mit 90 Minuten Zeit an einen Tisch, um offen darüber zu reden, was sie gerade bewegt, wie sie die Beziehung erleben und um sich gegenseitig einfühlbar zu machen. Sie üben sich in dieser verdichteten Gesprächssituation im guten Zuhören und lassen sich durch nichts stören. Sein Buch «Worte der Liebe: Erotische Zwiegespräche. Ein Elixier für Paare» mit Gesprächen von Paaren, Freundinnen und Freunden aller Altersklassen ist Praxisanleitung und Inspiration zugleich. Offene Gespräche sind aber auch immer wieder schwierig und unbequem, weil jede gelebte Sexualität Licht und Schatten kennt. Doch gerade im Dunkeln braucht es Wörter, um den gemeinsamen Weg nicht zu verlieren. Poetisch und doch treffsicher schreibt Moeller: «Eine Beziehungskrise besteht aus zwei Liebesbriefen, die nicht zustellbar sind.» Dabei hängen Reden im Bett und das Reden über die Sexualität durchaus zusammen, bloss ist es nicht ratsam, das eine mit dem anderen zu vermischen: «Man soll während eines Konzerts keine Konzertkritik machen», sagt Klaus Heer dazu. «Dann soll man es feiern und nicht mit Kritik ruinieren. Ausser mit dem Wort ‹Nein›, wenn man etwas nicht will.»
Intimität bedingt Mut
All denen, die in und über ihre Sexualität schweigen, fehlten weniger die konkreten Wörter, als der Mut, sich transparent zu machen, glaubt Heer: «In der Öffentlichkeit sind zwar alle geschwätzig. Das hat nichts mit dem Reden zu tun, das Mut verlangt, weil man etwas von sich preisgibt.» Intimität sei aber nur um den Preis dieses Mutes zu haben: «Man kann sie nicht gewinnen, indem man möglichst lieb und kuschelig ist, sondern nur, wenn man bereit ist, auch Distanz zu erfahren. Das eigentliche Intimitätserlebnis ist nicht die Nähe, sondern immer die Annäherung. Und das muss man mit Worten begleiten», sagt Heer. «Doch vor diesem beherzten Schritt schrecken die meisten zurück.» Seltsam, denn der Mensch scheint durchaus geschaffen für sexuelle Verbalität. Der Kopf dürfte nämlich seine stärkste erogene Zone sein. «Falls man das Herz dazurechnet», ergänzt Klaus Heer. «Und wenn man reden will, muss auch jemand zuhören. Daher ist auch das Ohr eine schöpferische erogene Zone.»
Tonspuren für das Kopfkino
Beim erotischen Reden geht es eigentlich um etwas ganz Einfaches: Man gibt Einblick in sein inneres Empfinden, teilt mit, was in einem vorgeht. Oder auch schlicht, wo man gern berührt werden möchte und was einem gefällt, und räumt so erst noch Missverständnisse aus. «Die menschliche Sprache hat sich aus dem Bedürfnis heraus entwickelt, etwas zu zeigen. Auch von sich. Das ist in der Sexualität nicht anders», sagt Heer. Wirkungsvoll ist diese Sprache aber bloss, wenn sie authentisch ist: ohne Porno-Drehbuch, Tipps aus Zeitschriften oder vorgefertigte Sätze im Hinterkopf. Verbale Erotik ist im besten Sinn offene Improvisation. Wohl wissend, dass man sich hier mehr Blösse gibt, als mit blosser Nacktheit.
«Oft reicht eine fremde Umgebung, ein Lebensgefühl, eine Beobachtung und schon entwickeln sich Gefühle und Ideen. Es ist mehr eine Befindlichkeit, die mich inspiriert», erzählt Bea. «Natürlich könnte ich das einfach für mich behalten. Aber wenn ich es preisgebe, dann kommt mein Mann vielleicht mit auf die Reise. Das sind wir, ich und er, einfach in einer zusätzlichen Dimension, für Momente entrückt, und doch zugleich hellwach in unseren Köpfen und Körpern.» Sie frage sich natürlich manchmal auch, ob eine vollkommene Sexualität nicht völlig bilderfrei sein müsste. Klaus Heer glaubt jedoch, dass alle Menschen Bilder im Kopf haben. Körperfantasien, die uns selbst im Dunkeln visuelle Eindrücke von Berührungen liefern, von dem was passiert und passieren wird. Es liege im Wesen des Menschen, nie bloss Körper, sondern immer auch Geist und Herz zu sein. Für Heer ist aber entscheidend, dass die Tonspur auch wirklich zum laufenden Film gehört: «Dort, wo ich genau bin, mache ich den Ton. Wenn ich auf der Tonspur eine fremde Fantasie abspiele, fahre ich doppelt, und das stört. Sprache soll Präsenz ausdrücken, zeigen, dass ich ganz da bin.» Gehe es bloss um Erregung, werde es langweilig und hohl.
Erotische Zwiegespräche
Noch wichtiger für eine intakte und gesunde Beziehung ist, dass Paare über ihre Sexualität reden können. Ein gefährlicher Irrtum zu glauben, man kenne sich ohne diesen Austausch längst gut genug. Heer räumt auch energisch mit zwei Klischees auf. Erstens: Frauen seien in diesem Punkt nicht kommunikationsbegabter als Männer. «Die Unterschiede zwischen Du und Ich sind viel grösser als die zwischen Mann und Frau.» Und: Über Sexualität reden müsse nicht heissen, Probleme zu wälzen.
Über Sexualität reden kann heissen, sich immer wieder im Positiven darüber auszutauschen: Wie war es für jeden, was gefiel, was weniger? Dieser verbale Nachtisch kann zum lebendigen und durchaus genussvollen Teil der Beziehung werden. Den Wert des intensiven verbalen Austausches für Paare betont auch der deutsche Psychoanalytiker und Paartherapeut Michael Lukas Moeller in seinen «Erotischen Zwiegesprächen»: Dabei setzen sich Paare regelmässig mit 90 Minuten Zeit an einen Tisch, um offen darüber zu reden, was sie gerade bewegt, wie sie die Beziehung erleben und um sich gegenseitig einfühlbar zu machen. Sie üben sich in dieser verdichteten Gesprächssituation im guten Zuhören und lassen sich durch nichts stören. Sein Buch «Worte der Liebe: Erotische Zwiegespräche. Ein Elixier für Paare» mit Gesprächen von Paaren, Freundinnen und Freunden aller Altersklassen ist Praxisanleitung und Inspiration zugleich. Offene Gespräche sind aber auch immer wieder schwierig und unbequem, weil jede gelebte Sexualität Licht und Schatten kennt. Doch gerade im Dunkeln braucht es Wörter, um den gemeinsamen Weg nicht zu verlieren. Poetisch und doch treffsicher schreibt Moeller: «Eine Beziehungskrise besteht aus zwei Liebesbriefen, die nicht zustellbar sind.» Dabei hängen Reden im Bett und das Reden über die Sexualität durchaus zusammen, bloss ist es nicht ratsam, das eine mit dem anderen zu vermischen: «Man soll während eines Konzerts keine Konzertkritik machen», sagt Klaus Heer dazu. «Dann soll man es feiern und nicht mit Kritik ruinieren. Ausser mit dem Wort ‹Nein›, wenn man etwas nicht will.»
Intimität bedingt Mut
All denen, die in und über ihre Sexualität schweigen, fehlten weniger die konkreten Wörter, als der Mut, sich transparent zu machen, glaubt Heer: «In der Öffentlichkeit sind zwar alle geschwätzig. Das hat nichts mit dem Reden zu tun, das Mut verlangt, weil man etwas von sich preisgibt.» Intimität sei aber nur um den Preis dieses Mutes zu haben: «Man kann sie nicht gewinnen, indem man möglichst lieb und kuschelig ist, sondern nur, wenn man bereit ist, auch Distanz zu erfahren. Das eigentliche Intimitätserlebnis ist nicht die Nähe, sondern immer die Annäherung. Und das muss man mit Worten begleiten», sagt Heer. «Doch vor diesem beherzten Schritt schrecken die meisten zurück.» Seltsam, denn der Mensch scheint durchaus geschaffen für sexuelle Verbalität. Der Kopf dürfte nämlich seine stärkste erogene Zone sein. «Falls man das Herz dazurechnet», ergänzt Klaus Heer. «Und wenn man reden will, muss auch jemand zuhören. Daher ist auch das Ohr eine schöpferische erogene Zone.»
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor