Schweizer Familie 4/2013
«Paartherapie: Wo reden Gold ist»
Wird die Beziehung zur Last, ist eine Trennung nicht der einzige Ausweg. Eine Paartherapie kann helfen, Konflikte zu bewältigen und der Liebe einen langen Atem zu geben.
TEXT: ANNA GIELAS
TEXT: ANNA GIELAS
Prinz und Prinzessin reiten davon und verschwinden im Sonnenuntergang. So ist es im Märchen. Im Alltag beginnt mit dem Sonnenuntergang die nächste Schicht: Der gestresste Prinz und die übermüdete Prinzessin kehren heim. Nicht ins Schloss, sondern zu triefenden Kindernasen und grauen Wäschebergen. Für liebevolle Zweisamkeit bleibt kaum Zeit. Alltagsstress schränkt die Möglichkeiten einer emotionalen Begegnung ein. Gleichzeitig führt er zu einer negativeren Kommunikation zwischen ihr und ihm. Gespräche werden gereizt, ungeduldig, sarkastisch – oder bleiben ganz aus. Enttäuschung und Entfremdung setzen ein.
Rund 84 Prozent der Frauen und 75 Prozent der Männer geben an, ihre Ehe verlaufe schlechter als vor der Heirat erwartet. So eine amerikanische Studie, die sich auf die Verhältnisse in der Schweiz übertragen lässt. Die grosse Mehrheit – rund 90 Prozent – macht die Schwierigkeiten mit dem Partner lieber unter sich aus. Was tun die anderen zehn Prozent? Sie suchen fachmännische Unterstützung – in der Paartherapie oder Eheberatung.
Hier helfen grossteils Psychologen bei der Aufarbeitung und Überwindung partnerschaftlicher Konflikte. Eine Paartherapie ist generell tiefer gehend ausgelegt und dauert länger als die Eheberatung, die Beratungsstellen anbieten. Fälschlicherweise kann der Eindruck entstehen, man müsse verheiratet sein, um die Eheberatung aufsuchen zu können. Deshalb sprechen Fachleute lieber von Paarberatung.
Haben ein oder beide Partner das Gefühl, die Beziehung falle zunehmend zur Last, ist der Besuch bei einer Fachkraft lohnenswert. Die therapeutische Auseinandersetzung mit gemeinsamen Problemen vermag nicht nur bestehende Schwierigkeiten zu lösen. Sie vermittelt auch allgemeine Tipps für die Kommunikation und das Zusammenleben.
So stärkt die Arbeit mit dem Psychologen die Partnerschaft langfristig. «Die Klienten lernen den Partner trotz verschiedener Vorstellungen zu akzeptieren und die Unterschiede stehen zu lassen», sagt Dominik Schöbi, Professor für Klinische Familienpsychologie an der Universität Freiburg.
Neutralität entscheidend
Untersuchungen aus den Jahren 2006 bis 2011 zufolge nehmen rund zwei Drittel aller Paare, die eine Therapie machen, die Hürden und festigen ihre Beziehung. Laut Angaben von Therapeuten, die sich auf die Rückmeldungen ihrer Klienten berufen, sind es sogar drei Viertel.
Auf der Suche nach dem richtigen Therapeuten können Freunde oder Hausärzte gute Fachleute empfehlen. Auch Fachgesellschaften vermitteln qualifizierte Ansprechpartner. Telefonbücher oder Zeitungsannoncen machen es dagegen kompliziert: Sie listen zwar zahlreiche Kontakte, aber unter all den Angeboten, Qualifikationen und Kürzeln fällt das Zurechtfinden schwer. Die persönlichen Webseiten der Therapeuten sind da aufschlussreicher. Sie ermöglichen einen ersten Eindruck von der Person. «Alle meine Klientenpaare haben sich im Vorfeld auf meiner Website darüber informiert, wer ich bin – sie kennen mich also besser als ich sie, wenn sie zum ersten Mal zu mir kommen», sagt der Schweizer Paartherapeut Klaus Heer.
Häufig befürchten Paare, dass der Psychologe als Schiedsrichter fungiert. Doch bei nahezu sämtlichen Differenzen gibt es kein Recht oder Unrecht. Mag auch der eine Partner dieses Bedürfnis haben, der andere jenes und sich das Paar deswegen in einen Machtkampf verrennen. «Niemand – auch nicht der Therapeut – kann entscheiden, welches Bedürfnis angemessen ist, da beide von ihrer Warte aus im Recht sind», sagt Dominik Schöbi.
Mit Schuldzuweisungen würde der Therapeut ausserdem das Vertrauen des einen oder gleich beider Partner verspielen. Ohne die Vertrauensbasis könnte er aber nicht zwischen ihnen vermitteln. «Der Therapeut muss immer die Interessen beider vertreten», betont der Psychologieprofessor Guy Bodenmann von der Universität Zürich. Dazu braucht es Unparteilichkeit. Deshalb ist die Neutralität des Psychologen eine entscheidende Voraussetzung einer jeden Therapie.
Rund 84 Prozent der Frauen und 75 Prozent der Männer geben an, ihre Ehe verlaufe schlechter als vor der Heirat erwartet. So eine amerikanische Studie, die sich auf die Verhältnisse in der Schweiz übertragen lässt. Die grosse Mehrheit – rund 90 Prozent – macht die Schwierigkeiten mit dem Partner lieber unter sich aus. Was tun die anderen zehn Prozent? Sie suchen fachmännische Unterstützung – in der Paartherapie oder Eheberatung.
Hier helfen grossteils Psychologen bei der Aufarbeitung und Überwindung partnerschaftlicher Konflikte. Eine Paartherapie ist generell tiefer gehend ausgelegt und dauert länger als die Eheberatung, die Beratungsstellen anbieten. Fälschlicherweise kann der Eindruck entstehen, man müsse verheiratet sein, um die Eheberatung aufsuchen zu können. Deshalb sprechen Fachleute lieber von Paarberatung.
Haben ein oder beide Partner das Gefühl, die Beziehung falle zunehmend zur Last, ist der Besuch bei einer Fachkraft lohnenswert. Die therapeutische Auseinandersetzung mit gemeinsamen Problemen vermag nicht nur bestehende Schwierigkeiten zu lösen. Sie vermittelt auch allgemeine Tipps für die Kommunikation und das Zusammenleben.
So stärkt die Arbeit mit dem Psychologen die Partnerschaft langfristig. «Die Klienten lernen den Partner trotz verschiedener Vorstellungen zu akzeptieren und die Unterschiede stehen zu lassen», sagt Dominik Schöbi, Professor für Klinische Familienpsychologie an der Universität Freiburg.
Neutralität entscheidend
Untersuchungen aus den Jahren 2006 bis 2011 zufolge nehmen rund zwei Drittel aller Paare, die eine Therapie machen, die Hürden und festigen ihre Beziehung. Laut Angaben von Therapeuten, die sich auf die Rückmeldungen ihrer Klienten berufen, sind es sogar drei Viertel.
Auf der Suche nach dem richtigen Therapeuten können Freunde oder Hausärzte gute Fachleute empfehlen. Auch Fachgesellschaften vermitteln qualifizierte Ansprechpartner. Telefonbücher oder Zeitungsannoncen machen es dagegen kompliziert: Sie listen zwar zahlreiche Kontakte, aber unter all den Angeboten, Qualifikationen und Kürzeln fällt das Zurechtfinden schwer. Die persönlichen Webseiten der Therapeuten sind da aufschlussreicher. Sie ermöglichen einen ersten Eindruck von der Person. «Alle meine Klientenpaare haben sich im Vorfeld auf meiner Website darüber informiert, wer ich bin – sie kennen mich also besser als ich sie, wenn sie zum ersten Mal zu mir kommen», sagt der Schweizer Paartherapeut Klaus Heer.
Häufig befürchten Paare, dass der Psychologe als Schiedsrichter fungiert. Doch bei nahezu sämtlichen Differenzen gibt es kein Recht oder Unrecht. Mag auch der eine Partner dieses Bedürfnis haben, der andere jenes und sich das Paar deswegen in einen Machtkampf verrennen. «Niemand – auch nicht der Therapeut – kann entscheiden, welches Bedürfnis angemessen ist, da beide von ihrer Warte aus im Recht sind», sagt Dominik Schöbi.
Mit Schuldzuweisungen würde der Therapeut ausserdem das Vertrauen des einen oder gleich beider Partner verspielen. Ohne die Vertrauensbasis könnte er aber nicht zwischen ihnen vermitteln. «Der Therapeut muss immer die Interessen beider vertreten», betont der Psychologieprofessor Guy Bodenmann von der Universität Zürich. Dazu braucht es Unparteilichkeit. Deshalb ist die Neutralität des Psychologen eine entscheidende Voraussetzung einer jeden Therapie.
Unwilliger Partner
Doch was tun, wenn der Partner sich gegen eine Therapie sträubt? Häufig scheitern auch die besten Argumente an der Angst und Unsicherheit des Partners. Gegen diese Gefühle richten auch Drohungen und Ultimaten kaum etwas aus und verschärfen die Spannungen eher noch. Dieser Angst begegnet Klaus Heer in seiner Alltagspraxis bei Frauen und Männern gleichermassen – und hält sie für berechtigt. Denn eine Paartherapie sei ein ebenso unübersichtliches Abenteuer wie die Beziehung selbst. Ängstlichkeit ist daher nur verständlich.
Man kann seinen Partner aber mit kleinen Gesten zur Therapie ermuntern. Zum Beispiel, indem man sich eine Paarsitzung zum Geburtstag wünscht. Damit sinkt die Hemmschwelle etwas, weil der Partner dann ja dem anderen einen Wunsch erfüllt. Einige Therapeuten führen auch Alleingespräche mit dem motivierten Partner durch. Sie geben dabei Anregungen, wie man den anderen für die Konfliktbewältigung gewinnen könnte. Denn für eine Paartherapie braucht es grundsätzlich zwei. Beide Partner müssen ihren Beitrag zur Bewältigung der gemeinsamen Herausforderungen leisten.
Der Paartherapeut hat jedoch festgestellt, dass die Unsicherheit mit der Zeit abnimmt. Selbst hartnäckige Angst weicht dem Wunsch, den anhaltenden Auseinandersetzungen ein Ende zu machen. «Der Leidensdruck ist der stärkste Motor für die Therapiebereitschaft und spürbare Veränderungen der Beziehung zum Guten», das hat Therapeut Klaus Heer in fast vierzig Jahren seiner praktischen Tätigkeit beobachtet.
Realistische Wünsche
Ist das Paar bereit, wird beim Erstgespräch mit dem Therapeuten nicht um den heissen Brei geredet. «Es gibt keinen Einstieg-Small-Talk», sagt Heer. «Vom ersten Moment an bewegen wir uns in Richtung Lösung.» Einleitend fragt der Experte, was die Partner aus ihrem Gespräch mitnehmen wollen, und die drei Anwesenden erörtern, ob die Wünsche realistisch sind. Bereits bei dieser ersten Unterhaltung komme eine essenzielle Erkenntnis zum Vorschein, sagt Klaus Heer: «Praktisch kein Paar hat dieselben Zielideen im Kopf – ebenso wie beide ihre eigenen Bedürfnisse haben, besitzen sie auch eigene Vorstellungen.» Das zu erkennen und zu akzeptieren ist laut dem Paartherapeuten bereits beinahe die halbe Therapiearbeit.
Bedenken – ob gegenüber dem Therapeuten oder der Therapie – sollten gleich in der einleitenden Sitzung angesprochen werden. Sagt der Psychologe nicht zu, nur nicht zögern: Ein neuer Versuch mit jemand anderem kann hilfreicher und positiver verlaufen.
Keine Universallösungen
Wer allerdings von einem Experten zum nächsten wandert und erwartet, dass ihm einer der Therapeuten eine Universallösung anbietet, der kann lange suchen. Der Fachmann wird seiner Aufgabe nur gerecht, wenn er zusammen mit den Klienten nützliche Erkenntnisse und Lösungsansätze erarbeitet. Dabei gilt die Faustregel: Eine Paartherapie sollte nicht länger als ein Jahr dauern, eine Sitzung pro Monat reicht in der Regel aus.
Bei den meisten Paaren zeichnen sich in dieser Zeit deutliche Fortschritte ab, bei einigen geht es aber gar nicht voran. In diesem Fall heisst es, seinem Gespür zu folgen. Ist man überzeugt, dass die Beziehung noch eine Chance hat, lohnt sich das Aufsuchen eines anderen Therapeuten. Oder ist es eher so, dass die Beziehung keine Basis mehr besitzt? Dann sollte man den Mut haben, sich zu trennen. Ein guter Fachmann erkennt eine Beziehungssackgasse und macht auf sie aufmerksam.
Obgleich die Therapie für einige Paare mit einer Trennung endet, hilft sie den meisten – und macht sogar Freude: Die Liebespartner spüren gemeinsame Ressourcen auf, die sie in ihrer Paargeschichte zurückgelassen haben. Auch macht das Liebespaar Klaus Heer zufolge die Erfahrung, dass eine Beziehung kein meteorologisches Ereignis ist – das Klima einer Beziehung lässt sich zum Positiven beeinflussen.
Doch was tun, wenn der Partner sich gegen eine Therapie sträubt? Häufig scheitern auch die besten Argumente an der Angst und Unsicherheit des Partners. Gegen diese Gefühle richten auch Drohungen und Ultimaten kaum etwas aus und verschärfen die Spannungen eher noch. Dieser Angst begegnet Klaus Heer in seiner Alltagspraxis bei Frauen und Männern gleichermassen – und hält sie für berechtigt. Denn eine Paartherapie sei ein ebenso unübersichtliches Abenteuer wie die Beziehung selbst. Ängstlichkeit ist daher nur verständlich.
Man kann seinen Partner aber mit kleinen Gesten zur Therapie ermuntern. Zum Beispiel, indem man sich eine Paarsitzung zum Geburtstag wünscht. Damit sinkt die Hemmschwelle etwas, weil der Partner dann ja dem anderen einen Wunsch erfüllt. Einige Therapeuten führen auch Alleingespräche mit dem motivierten Partner durch. Sie geben dabei Anregungen, wie man den anderen für die Konfliktbewältigung gewinnen könnte. Denn für eine Paartherapie braucht es grundsätzlich zwei. Beide Partner müssen ihren Beitrag zur Bewältigung der gemeinsamen Herausforderungen leisten.
Der Paartherapeut hat jedoch festgestellt, dass die Unsicherheit mit der Zeit abnimmt. Selbst hartnäckige Angst weicht dem Wunsch, den anhaltenden Auseinandersetzungen ein Ende zu machen. «Der Leidensdruck ist der stärkste Motor für die Therapiebereitschaft und spürbare Veränderungen der Beziehung zum Guten», das hat Therapeut Klaus Heer in fast vierzig Jahren seiner praktischen Tätigkeit beobachtet.
Realistische Wünsche
Ist das Paar bereit, wird beim Erstgespräch mit dem Therapeuten nicht um den heissen Brei geredet. «Es gibt keinen Einstieg-Small-Talk», sagt Heer. «Vom ersten Moment an bewegen wir uns in Richtung Lösung.» Einleitend fragt der Experte, was die Partner aus ihrem Gespräch mitnehmen wollen, und die drei Anwesenden erörtern, ob die Wünsche realistisch sind. Bereits bei dieser ersten Unterhaltung komme eine essenzielle Erkenntnis zum Vorschein, sagt Klaus Heer: «Praktisch kein Paar hat dieselben Zielideen im Kopf – ebenso wie beide ihre eigenen Bedürfnisse haben, besitzen sie auch eigene Vorstellungen.» Das zu erkennen und zu akzeptieren ist laut dem Paartherapeuten bereits beinahe die halbe Therapiearbeit.
Bedenken – ob gegenüber dem Therapeuten oder der Therapie – sollten gleich in der einleitenden Sitzung angesprochen werden. Sagt der Psychologe nicht zu, nur nicht zögern: Ein neuer Versuch mit jemand anderem kann hilfreicher und positiver verlaufen.
Keine Universallösungen
Wer allerdings von einem Experten zum nächsten wandert und erwartet, dass ihm einer der Therapeuten eine Universallösung anbietet, der kann lange suchen. Der Fachmann wird seiner Aufgabe nur gerecht, wenn er zusammen mit den Klienten nützliche Erkenntnisse und Lösungsansätze erarbeitet. Dabei gilt die Faustregel: Eine Paartherapie sollte nicht länger als ein Jahr dauern, eine Sitzung pro Monat reicht in der Regel aus.
Bei den meisten Paaren zeichnen sich in dieser Zeit deutliche Fortschritte ab, bei einigen geht es aber gar nicht voran. In diesem Fall heisst es, seinem Gespür zu folgen. Ist man überzeugt, dass die Beziehung noch eine Chance hat, lohnt sich das Aufsuchen eines anderen Therapeuten. Oder ist es eher so, dass die Beziehung keine Basis mehr besitzt? Dann sollte man den Mut haben, sich zu trennen. Ein guter Fachmann erkennt eine Beziehungssackgasse und macht auf sie aufmerksam.
Obgleich die Therapie für einige Paare mit einer Trennung endet, hilft sie den meisten – und macht sogar Freude: Die Liebespartner spüren gemeinsame Ressourcen auf, die sie in ihrer Paargeschichte zurückgelassen haben. Auch macht das Liebespaar Klaus Heer zufolge die Erfahrung, dass eine Beziehung kein meteorologisches Ereignis ist – das Klima einer Beziehung lässt sich zum Positiven beeinflussen.
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor