Die Weltwoche 28/2014
Waberndes Misstrauen
Die Eifersucht hat ein mieses Image. Niemand mag hysterische Szenen, alle sind überfordert vom wild gewordenen Liebesleid. Mit kühlem Hirn und warmem Herzen über die Eifersucht nachzudenken, könnte Erleichterung bringen.
VON KLAUS HEER
VON KLAUS HEER
Gibt es da draussen nicht jemanden, der besser zu mir passt? (Bild: Getty Images)
Die Eifersucht ist das schwarze Loch im ehelichen Bermudadreieck, bestehend aus Qual, Angst und Misstrauen. Sie verschlingt Seelenfrieden und Zweisamkeit. Wie das eigentlich läuft mit dieser Eifersucht, weiss und versteht niemand genau. Dafür gibt es umso mehr Schauermärchen rund um das shakespearesche «grünäugige Monster».
Sie sei «die Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft», kalauert alte denkerische Prominenz wie Friedrich Schleiermacher oder Franz Grillparzer, und viele Leute plappern es ihnen nach bis heute. Das klingt gescheit und reimt sich nett, ist aber voll daneben. Mit Leidenschaft hat Eifersucht nichts gemein, rein gar nichts. Kein Eifersüchtiger sucht derlei Leiden, nicht einmal der verdrehteste Masochist.
Eine Sucht ist sie auch nicht. Es fehlen ihr fast alle wichtigen Ingredienzen der Abhängigkeit und des möglichen Missbrauchs. Sie schmerzt und verstört viel zu extrem.
Gehört die Eifersucht vielleicht so untrennbar zur Liebe wie der Herzschlag zum Herzen? Ist also die Liebe tot, wenn sich keine Eifersucht mehr regt? – Nein. Die beiden Regungen haben nichts miteinander zu tun. Womöglich schliessen sie sich sogar aus.
Zeigt Eifersucht nichts weiter an als kruden Besitzanspruch, der sich bedroht sieht? – Nein. Eifersucht ist viel mehr und sitzt viel tiefer als eine simple Einstellung oder Weltanschauung. Sie lässt sich nicht willentlich ab- oder umstellen auf «vernünftig».
Brenzlige Konkurrenz
Gibt es «grundlose» oder «krankhafte» Eifersucht? – Weder noch. Das sind Aufkleber, mit denen sich ein Verdächtigter zur Wehr setzt, indem er die Eifersüchteleien des anderen niedermacht oder pathologisiert. Damit heizt er aber bloss dessen Liebeswüten weiter an.
Stimmt es, dass Frauen vornehmlich auf emotionale Untreue ihres Mannes eifersüchtig reagieren, während Männer aushäusigen Sex ihrer Partnerin nicht vertragen? – Je länger, je weniger. Neue Studien entkräften diese alten Vorstellungen zunehmend als Vorurteile. Weibliches und männliches Denken und Empfinden nähern sich mehr und mehr an. Männer wie Frauen sind also nahezu gleichermassen irritierbar durch brenzlige Konkurrenz. Genauer: Jede und jeder wird à sa façon unselig.
Lässt sich Eifersucht abschaffen, ungefähr wie die Armee? – Nein. Offenbar braucht es beides. Seit ungefähr fünfzig Jahren gibt es immer wieder verbissene Versuche, der Eifersucht den Garaus zu machen. Mit der «offenen Ehe», der Polyamorie, dem Swingerklub. Es geht nicht. Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen. Einvernehmliches Fremdgehen ist ein herbromantisches Traumgebilde, das praktisch immer auf dem harten Boden der Realität zerschellt.
Sie sei «die Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft», kalauert alte denkerische Prominenz wie Friedrich Schleiermacher oder Franz Grillparzer, und viele Leute plappern es ihnen nach bis heute. Das klingt gescheit und reimt sich nett, ist aber voll daneben. Mit Leidenschaft hat Eifersucht nichts gemein, rein gar nichts. Kein Eifersüchtiger sucht derlei Leiden, nicht einmal der verdrehteste Masochist.
Eine Sucht ist sie auch nicht. Es fehlen ihr fast alle wichtigen Ingredienzen der Abhängigkeit und des möglichen Missbrauchs. Sie schmerzt und verstört viel zu extrem.
Gehört die Eifersucht vielleicht so untrennbar zur Liebe wie der Herzschlag zum Herzen? Ist also die Liebe tot, wenn sich keine Eifersucht mehr regt? – Nein. Die beiden Regungen haben nichts miteinander zu tun. Womöglich schliessen sie sich sogar aus.
Zeigt Eifersucht nichts weiter an als kruden Besitzanspruch, der sich bedroht sieht? – Nein. Eifersucht ist viel mehr und sitzt viel tiefer als eine simple Einstellung oder Weltanschauung. Sie lässt sich nicht willentlich ab- oder umstellen auf «vernünftig».
Brenzlige Konkurrenz
Gibt es «grundlose» oder «krankhafte» Eifersucht? – Weder noch. Das sind Aufkleber, mit denen sich ein Verdächtigter zur Wehr setzt, indem er die Eifersüchteleien des anderen niedermacht oder pathologisiert. Damit heizt er aber bloss dessen Liebeswüten weiter an.
Stimmt es, dass Frauen vornehmlich auf emotionale Untreue ihres Mannes eifersüchtig reagieren, während Männer aushäusigen Sex ihrer Partnerin nicht vertragen? – Je länger, je weniger. Neue Studien entkräften diese alten Vorstellungen zunehmend als Vorurteile. Weibliches und männliches Denken und Empfinden nähern sich mehr und mehr an. Männer wie Frauen sind also nahezu gleichermassen irritierbar durch brenzlige Konkurrenz. Genauer: Jede und jeder wird à sa façon unselig.
Lässt sich Eifersucht abschaffen, ungefähr wie die Armee? – Nein. Offenbar braucht es beides. Seit ungefähr fünfzig Jahren gibt es immer wieder verbissene Versuche, der Eifersucht den Garaus zu machen. Mit der «offenen Ehe», der Polyamorie, dem Swingerklub. Es geht nicht. Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen. Einvernehmliches Fremdgehen ist ein herbromantisches Traumgebilde, das praktisch immer auf dem harten Boden der Realität zerschellt.
Wir wollen beides, das Abenteuer und die Sicherheit
Ja, die Realität der Eifersucht ist hart. Dabei denke ich nicht an die grausigen griechischen Tragödien, etwa der elenden Medea von Euripides, nicht an den durchgeknallten Othello im 17.Jahrhundert oder an den «Tatort» und das Burghölzli heutzutage. Nein, die Liebesargwohn-Dramen in unseren eigenen vier Wänden, in unseren Schädeln und Bäuchen sind höllisch genug. Ich rede vom gewöhnlichen Liebeswahnsinn.
Der Schweizer Schriftsteller und Schauspieler Curt Goetz muss ihn an sich selbst erlebt haben, sonst träfe er den Nagel nicht so exakt auf den Kopf: «Ein Eifersüchtiger weiss nichts, ahnt viel und fürchtet alles.» Zu spüren, wie die vordem intakte Liebesgewissheit zu bröckeln und zu zerfallen beginnt, ist unerträglich.
Ein verstörender Vielfrontenkrieg gegen diffuses, formloses Ungemach geht los. Wer und wo ist der Feind, der mich und meine Liebesheimat bedroht? Welche Waffen kann und soll ich einsetzen und gegen wen? Oder konzentriere ich mich besser auf die Rettung dessen, was mir lieb ist? Aber wie um Himmels willen? Mache ich, wie es scheint, mit allem, was ich tue und unterlasse, alles weiter kaputt? Mein geborstenes Vertrauen macht mich leidend und böse gleichzeitig. Soll ich dem Drang zu rasen nachgeben oder dem Strom der Tränen freien Lauf lassen? Das überall wabernde Misstrauen lässt mich verzweifeln: Bin ich tatsächlich zu allem fähig? Zu nahezu jeder Form des Übergriffs, nur um der quälenden Bodenlosigkeit ein Ende zu setzen?
Der Bürgerkrieg der Eifersucht spielt sich also in erster Linie auf dem Schlachtfeld in der Brust des Eifersüchtigen ab. Sein Dilemma ist total und total verworren. Er ist gleichzeitig klagend und anklagend, verängstigt und empört, dürstend nach versichernder Zuwendung und erbittert, quälend und selbst gequält.
Der Schweizer Schriftsteller und Schauspieler Curt Goetz muss ihn an sich selbst erlebt haben, sonst träfe er den Nagel nicht so exakt auf den Kopf: «Ein Eifersüchtiger weiss nichts, ahnt viel und fürchtet alles.» Zu spüren, wie die vordem intakte Liebesgewissheit zu bröckeln und zu zerfallen beginnt, ist unerträglich.
Ein verstörender Vielfrontenkrieg gegen diffuses, formloses Ungemach geht los. Wer und wo ist der Feind, der mich und meine Liebesheimat bedroht? Welche Waffen kann und soll ich einsetzen und gegen wen? Oder konzentriere ich mich besser auf die Rettung dessen, was mir lieb ist? Aber wie um Himmels willen? Mache ich, wie es scheint, mit allem, was ich tue und unterlasse, alles weiter kaputt? Mein geborstenes Vertrauen macht mich leidend und böse gleichzeitig. Soll ich dem Drang zu rasen nachgeben oder dem Strom der Tränen freien Lauf lassen? Das überall wabernde Misstrauen lässt mich verzweifeln: Bin ich tatsächlich zu allem fähig? Zu nahezu jeder Form des Übergriffs, nur um der quälenden Bodenlosigkeit ein Ende zu setzen?
Der Bürgerkrieg der Eifersucht spielt sich also in erster Linie auf dem Schlachtfeld in der Brust des Eifersüchtigen ab. Sein Dilemma ist total und total verworren. Er ist gleichzeitig klagend und anklagend, verängstigt und empört, dürstend nach versichernder Zuwendung und erbittert, quälend und selbst gequält.
Keine Empathie vom Partner
Das Paar redet stundenlang, oft auch nächtens. Doch das Ergebnis der «Gespräche» ist meist ernüchternd. Niemand fühlt sich verstanden, aber niemand gibt den Versuch auf, beim anderen Verständnis zu erzwingen. Gefühlsschwalle auf beiden Seiten befeuern die Eskalation. Die Hilflosigkeit des Paares wächst mit der emotionalen Flut. Irgendwann kollabiert die Diskussion. Bis zum nächsten Mal.
Als professioneller Zeuge peinigender und peinlicher Eifersuchtsszenen wundere ich mich immer darüber, dass der Eifersüchtige mit keinerlei Empathie vom Partner rechnen kann. Er macht sich ja unmöglich, wirkt ätzend und nervt gewaltig. Hinter dieser Ablehnungsfront ist es schwierig, die Not des Eifersüchtigen zu sehen – was dessen Not natürlich radikalisiert und den Krieg zwischen den beiden aufrüstet.
Tatsächlich verstehe ich strenggenommen nicht oder fast nicht, in welch abgrundtiefe Einsamkeiten zwei eigentlich liebende Menschen stürzen, weil den einen von ihnen der scheinbar abstruse Dämon der Eifersucht reitet. Ich habe es zwar schon Hunderte von Malen aus nächster Nähe mitbekommen und bin noch immer sehr begierig, mir einen gescheiten Reim auf das Drama rund um den akuten Liebesargwohn zu machen. Aber ich komme nicht weiter.
Theorien über die möglichen Gründe und Hintergründe der Eifersucht helfen mir nicht, im Gegenteil. Sie gehöre zur psychischen Steinzeitausstattung des Menschen. Ohne sie wäre das Überleben des Urmenschen und damit unserer Gattung unwahrscheinlich gewesen, heisst es. Keine Menschenevolution ohne Eifersucht also? Warum ist dann meine Empathie für den eifersuchtsgeplagten Partner nicht ebenso elementar vorhanden?
Wenn doch die Angst vor dem Verlust des geliebten Gefährten an meiner Seite tief in meinen Knochen sitzt, warum fehlt mir genau diese emotionale Fantasie, sobald er sich in seiner Eifersuchtsqual windet?
Noch unverständlicher: Eine beliebte Psycho-Doktrin sagt bekanntlich, Eifersucht sei nichts als der Ausdruck eines Selbstwertdefizits. Wer sich selber nicht ausreichend liebenswert finde, werde eh an der Liebe seines Partners zweifeln und darum fürchten, ihn zu verlieren. Aber bitte, wessen Selbstwertgefühl ist über solche Zweifel erhaben? Der etwas Selbstverzagte ist doch auch der Sensible, oder? Wie kommt es, dass ich es nicht aushalte, wenn der Mensch, der mir am nächsten steht, exakt diese menschliche Unsicherheit ausdrückt? Ich verstehe das nicht. Vielleicht, weil alles ein bisschen vertrackter ist, als man gewöhnlich annimmt.
Am Ende ist Eifersucht der Ausdruck eines kniffligen Paradoxons, das uns in die Verzweiflung treibt. Hin- und hergerissen zwischen zwei unvereinbaren starken Antrieben, möchten wir aufbrechen zu neuen Verliebtheitshochs und gleichzeitig wohlig kuscheln in der zweisamen Geborgenheit. Wir wollen beides, das Abenteuer und die Sicherheit. Wenn es nun so aussieht, als beugte sich mein Partner weit, zu weit, vor in Richtung unberechenbares Wagnis, schrillt der Alarm.
«Unsere Liebe ist in Gefahr!», lärmt meine Frühwarnsirene. Gewöhnlich viel früher als bei meinem Partner, der das Risiko noch gar nicht wahrnehmen kann und wahrhaben will. Genau genommen könnte er mir dankbar sein, dass ich bei Sinnen bin, während er vielleicht versucht ist, im Hormonsuff zu gefährden, was ihm nüchtern genauso am Herzen liegt wie mir. Die Eifersucht ausmerzen zu wollen, käme dem Ansinnen gleich, einen Brand zu löschen, indem man den Feuermelder platt macht. Ohne Eifersucht gäbe es wohl kaum noch silberne oder goldene Hochzeiten und viel weniger stabile Familien. Das wäre doch schade.
Der Marktwert
Darum ist die Eifersucht nicht einfach die vielgeschmähte dunkle Seite der Liebe, sondern eher deren treue Wächterin, wach, hellsichtig und manchmal zu allem entschlossen. Nämlich dann, wenn der wirre Partner zu allem fähig scheint, zu Betrug, Verrat und Kopflosigkeit. Der Eifersucht präventiver Eifer gebärdet sich zwar meist abstossend, aber er hat bestimmt schon zahllose Ehebünde vor dem Bruch bewahrt. Ob wir wollen oder nicht, um uns herum verdichtet sich ja ein immer raueres marktwirtschaftliches Klima der allgegenwärtigen Partnersuche: Gibt es da draussen nicht jemanden, der besser zu mir passt? Was ist mein Marktwert?
So folgen Trennungen immer schneller auf Trennungen, obwohl das eigentlich niemand will; Scheiden tut weh wie eh und je. Aber mächtig locken die Wonnen einer neuen Liebe. Die Natur hat uns eben mit keinem Treue-Gen ausgerüstet. Treu sein kommt uns zu oft mühselig und aufreibend vor. Ähnlich dornig wie der Treue-Antagonist Eifersucht.
Aber beide Themen wollen kultiviert sein, Treue und Eifersucht. Sie gehören zusammen. Was sich zu beissen scheint, soll sich küssen lernen.
Das Paar redet stundenlang, oft auch nächtens. Doch das Ergebnis der «Gespräche» ist meist ernüchternd. Niemand fühlt sich verstanden, aber niemand gibt den Versuch auf, beim anderen Verständnis zu erzwingen. Gefühlsschwalle auf beiden Seiten befeuern die Eskalation. Die Hilflosigkeit des Paares wächst mit der emotionalen Flut. Irgendwann kollabiert die Diskussion. Bis zum nächsten Mal.
Als professioneller Zeuge peinigender und peinlicher Eifersuchtsszenen wundere ich mich immer darüber, dass der Eifersüchtige mit keinerlei Empathie vom Partner rechnen kann. Er macht sich ja unmöglich, wirkt ätzend und nervt gewaltig. Hinter dieser Ablehnungsfront ist es schwierig, die Not des Eifersüchtigen zu sehen – was dessen Not natürlich radikalisiert und den Krieg zwischen den beiden aufrüstet.
Tatsächlich verstehe ich strenggenommen nicht oder fast nicht, in welch abgrundtiefe Einsamkeiten zwei eigentlich liebende Menschen stürzen, weil den einen von ihnen der scheinbar abstruse Dämon der Eifersucht reitet. Ich habe es zwar schon Hunderte von Malen aus nächster Nähe mitbekommen und bin noch immer sehr begierig, mir einen gescheiten Reim auf das Drama rund um den akuten Liebesargwohn zu machen. Aber ich komme nicht weiter.
Theorien über die möglichen Gründe und Hintergründe der Eifersucht helfen mir nicht, im Gegenteil. Sie gehöre zur psychischen Steinzeitausstattung des Menschen. Ohne sie wäre das Überleben des Urmenschen und damit unserer Gattung unwahrscheinlich gewesen, heisst es. Keine Menschenevolution ohne Eifersucht also? Warum ist dann meine Empathie für den eifersuchtsgeplagten Partner nicht ebenso elementar vorhanden?
Wenn doch die Angst vor dem Verlust des geliebten Gefährten an meiner Seite tief in meinen Knochen sitzt, warum fehlt mir genau diese emotionale Fantasie, sobald er sich in seiner Eifersuchtsqual windet?
Noch unverständlicher: Eine beliebte Psycho-Doktrin sagt bekanntlich, Eifersucht sei nichts als der Ausdruck eines Selbstwertdefizits. Wer sich selber nicht ausreichend liebenswert finde, werde eh an der Liebe seines Partners zweifeln und darum fürchten, ihn zu verlieren. Aber bitte, wessen Selbstwertgefühl ist über solche Zweifel erhaben? Der etwas Selbstverzagte ist doch auch der Sensible, oder? Wie kommt es, dass ich es nicht aushalte, wenn der Mensch, der mir am nächsten steht, exakt diese menschliche Unsicherheit ausdrückt? Ich verstehe das nicht. Vielleicht, weil alles ein bisschen vertrackter ist, als man gewöhnlich annimmt.
Am Ende ist Eifersucht der Ausdruck eines kniffligen Paradoxons, das uns in die Verzweiflung treibt. Hin- und hergerissen zwischen zwei unvereinbaren starken Antrieben, möchten wir aufbrechen zu neuen Verliebtheitshochs und gleichzeitig wohlig kuscheln in der zweisamen Geborgenheit. Wir wollen beides, das Abenteuer und die Sicherheit. Wenn es nun so aussieht, als beugte sich mein Partner weit, zu weit, vor in Richtung unberechenbares Wagnis, schrillt der Alarm.
«Unsere Liebe ist in Gefahr!», lärmt meine Frühwarnsirene. Gewöhnlich viel früher als bei meinem Partner, der das Risiko noch gar nicht wahrnehmen kann und wahrhaben will. Genau genommen könnte er mir dankbar sein, dass ich bei Sinnen bin, während er vielleicht versucht ist, im Hormonsuff zu gefährden, was ihm nüchtern genauso am Herzen liegt wie mir. Die Eifersucht ausmerzen zu wollen, käme dem Ansinnen gleich, einen Brand zu löschen, indem man den Feuermelder platt macht. Ohne Eifersucht gäbe es wohl kaum noch silberne oder goldene Hochzeiten und viel weniger stabile Familien. Das wäre doch schade.
Der Marktwert
Darum ist die Eifersucht nicht einfach die vielgeschmähte dunkle Seite der Liebe, sondern eher deren treue Wächterin, wach, hellsichtig und manchmal zu allem entschlossen. Nämlich dann, wenn der wirre Partner zu allem fähig scheint, zu Betrug, Verrat und Kopflosigkeit. Der Eifersucht präventiver Eifer gebärdet sich zwar meist abstossend, aber er hat bestimmt schon zahllose Ehebünde vor dem Bruch bewahrt. Ob wir wollen oder nicht, um uns herum verdichtet sich ja ein immer raueres marktwirtschaftliches Klima der allgegenwärtigen Partnersuche: Gibt es da draussen nicht jemanden, der besser zu mir passt? Was ist mein Marktwert?
So folgen Trennungen immer schneller auf Trennungen, obwohl das eigentlich niemand will; Scheiden tut weh wie eh und je. Aber mächtig locken die Wonnen einer neuen Liebe. Die Natur hat uns eben mit keinem Treue-Gen ausgerüstet. Treu sein kommt uns zu oft mühselig und aufreibend vor. Ähnlich dornig wie der Treue-Antagonist Eifersucht.
Aber beide Themen wollen kultiviert sein, Treue und Eifersucht. Sie gehören zusammen. Was sich zu beissen scheint, soll sich küssen lernen.
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor