Luzern60plus vom 1. September
«Hand in Hand gehen – auch nach 40 Jahren Ehe»
Sind langjährige Ehen ein Auslaufmodell? Nicht unbedingt, sagt der Paartherapeut Klaus Heer. Aber es empfiehlt sich, die Messlatte nicht zu hoch zu legen. 180 Personen folgten seinem erfrischenden Vortrag im Rahmen der «Lebensreise», einem Veranstaltungszyklus der städtischen Fachstelle für Altersfragen.
VON BEAT BÜHLMANN
VON BEAT BÜHLMANN
Sie wartete auf der anderen Strassenseite auf ihn, dann begrüssten sie sich mit einem Kuss und gingen Hand in Hand die Treppe zum Pfarreizentrum MaiHof hinauf. Paartherapeut Klaus Heer (73) hätte an diesem Paar, beide mit schlohweissem Haar und gut in den Siebzigern, seine helle Freude gehabt. Doch davon später. Heer referierte auf Einladung der städtischen Fachstelle für Altersfragen vor rund 180 Personen über langjährige Partnerschaften – und das war nun gewiss keine langweilige Lehrstunde. Irgendwie war es wie mit einer guten langjährigen Ehe; es muss auch Spass machen.
Jede Ehe hat «unlösbare Probleme»
«Ehe im Alter – ein Auslaufmodell?», so lautete das Thema der dritten Veranstaltung im Rahmen der «Lebensreise». Die längere Lebenserwartung macht nicht alles einfacher. Scheidungen nach dreissig oder mehr Ehejahren häufen sich, der langjährige Trott passt nicht so recht zum romantischen Höhenflug der Jungverliebten («Wir wollen zusammen alt werden, Schatz!»), wie Klaus Heer aus seiner Praxis als Paartherapeut weiss. Sie könnten nicht mehr miteinander reden! Sie würden sich nicht mehr verstehen! Sie würden einander im Wege stehen! Solche Sätze bekomme er immer wieder zu hören. Kurz: Ehekoller, Dichtestress oder Nähefilz, wie Heer sagt. Kleinkrieg im Alltag, häusliches Mobbing – und viel Groll, der in Hass umschlagen kann.
Das alles müsste nicht sein, sagte der Paartherapeut. Doch viele langjährige Ehen krankten an zu hohen Idealen. Alte Ehepaare hadern, weil sie nicht «den Richtigen» oder er nicht «die Richtige» gefunden hat, wie sie Rückblick glauben. Sie bekämpfen den «Alltagstrott» statt dem Alltag etwas abzugewinnen. Sie reden und reden, betreiben «Beziehungsnabelschau» – ohne an ein Ende zu kommen. «Denn in jeder Beziehung gibt es ein oder zwei unlösbare Probleme», sagt Klaus Heer. Man müsse den Partner nicht immer verstehen, lautet sein Plädoyer. Viel spannender sei es, manchmal über die Fremdheit des Partners zu staunen. Wenn sich Ehefrauen über ihre «verstopften Beziehungstrottel» an ihrer Seite beklagten, die nie reden wollten («Ich kenne meinen Mann!»), führe das nur in die Sackgasse. Männer, so Heer mit verschmitztem Unterton, hätten halt ein «reiches Innenleben». Ohnehin glaube er nicht, dass Frauen ein besseres Rüstzeug für gute Beziehungen hätten.
Die Messlatte tiefer halten
Doch was ist zu tun, um den im Lauf der Zeit etwas öden Ehealltag aufzumöbeln? Wo sollen sich langjährige Paare investieren? Die Messlatte hinunter nehmen und nicht unrealistische Erwartungen hegen, sagt Heer, «Nacherziehung» funktioniere ohnehin nicht. «Liebe ist: nicht arbeiten müssen. Nur da sein. Warum genügt das keinem?», zitierte er Elfriede Jelinek. Das Wort «Beziehungsarbeit» gefällt dem Paartherapeuten Klaus Heer ohnehin nicht so recht, Liebe solle doch etwas Freude bereiten. Und müsse man wirklich immer und über alles tiefgründig reden? Verliebte seien redselig, doch das verliere sich im Lauf der Zeit und sei nicht weiter schlimm. Doch schweigen allein macht auch niemand glücklich. Stattdessen sollten Paare «zusammen laut denken», empfiehlt Heer, also die Biografie täglich updaten und einander vom Alltag erzählen – statt nur immer den Alltag organisieren. Und wenn «Beziehungsgespräche» unbedingt nötig seien, dann in Frageform: «Weisch noh?» (Geschichten aus der gemeinsamen Schatztruhe erzählen) Oder: Was macht dich zufrieden mit mir? Inwiefern bin ich eine Zumutung für dich? Fragen allein hilft allerdings auch nicht weiter, entscheidend sei, dass man richtig zuhören könne, sagt Klaus Heer, was vielen Paaren schwerfalle, wie er oft in seiner Praxis erfahre.
Lieber Küsse statt nur «Müntschi»
Klaus Heer, der 1975 mit seiner Radiosendung «Sind Sie sinnlich?» für viel Aufsehen sorgte, kam in seinem Vortrag auch auf die körperliche Nähe zu sprechen. Berühren sei existenziell, sagte er, bei einem Paar mit akutem Berührungsdefizit sterbe die Liebe ab. Aber Berührungen müssten keineswegs stets sexualisiert sein, auch niederschwellige Berührungsrituale wie sich mit einem Kuss verabschieden oder begrüssen seien wichtig für die Beziehung. Allerdings, so Heer, sollten es nicht so trockene «Müntschi» sein, wie man sie eigentlich der Tante auf die Wangen drücke. Dem Paartherapeuten Heer gefällt auch das Hand in Hand gehen von alten Ehepaaren. Das sei nicht das «Händli halten» wie bei Jungverliebten, so Heer, sondern sich gegenseitig an der Hand halten und so einander Stütze sein.
Jede Ehe hat «unlösbare Probleme»
«Ehe im Alter – ein Auslaufmodell?», so lautete das Thema der dritten Veranstaltung im Rahmen der «Lebensreise». Die längere Lebenserwartung macht nicht alles einfacher. Scheidungen nach dreissig oder mehr Ehejahren häufen sich, der langjährige Trott passt nicht so recht zum romantischen Höhenflug der Jungverliebten («Wir wollen zusammen alt werden, Schatz!»), wie Klaus Heer aus seiner Praxis als Paartherapeut weiss. Sie könnten nicht mehr miteinander reden! Sie würden sich nicht mehr verstehen! Sie würden einander im Wege stehen! Solche Sätze bekomme er immer wieder zu hören. Kurz: Ehekoller, Dichtestress oder Nähefilz, wie Heer sagt. Kleinkrieg im Alltag, häusliches Mobbing – und viel Groll, der in Hass umschlagen kann.
Das alles müsste nicht sein, sagte der Paartherapeut. Doch viele langjährige Ehen krankten an zu hohen Idealen. Alte Ehepaare hadern, weil sie nicht «den Richtigen» oder er nicht «die Richtige» gefunden hat, wie sie Rückblick glauben. Sie bekämpfen den «Alltagstrott» statt dem Alltag etwas abzugewinnen. Sie reden und reden, betreiben «Beziehungsnabelschau» – ohne an ein Ende zu kommen. «Denn in jeder Beziehung gibt es ein oder zwei unlösbare Probleme», sagt Klaus Heer. Man müsse den Partner nicht immer verstehen, lautet sein Plädoyer. Viel spannender sei es, manchmal über die Fremdheit des Partners zu staunen. Wenn sich Ehefrauen über ihre «verstopften Beziehungstrottel» an ihrer Seite beklagten, die nie reden wollten («Ich kenne meinen Mann!»), führe das nur in die Sackgasse. Männer, so Heer mit verschmitztem Unterton, hätten halt ein «reiches Innenleben». Ohnehin glaube er nicht, dass Frauen ein besseres Rüstzeug für gute Beziehungen hätten.
Die Messlatte tiefer halten
Doch was ist zu tun, um den im Lauf der Zeit etwas öden Ehealltag aufzumöbeln? Wo sollen sich langjährige Paare investieren? Die Messlatte hinunter nehmen und nicht unrealistische Erwartungen hegen, sagt Heer, «Nacherziehung» funktioniere ohnehin nicht. «Liebe ist: nicht arbeiten müssen. Nur da sein. Warum genügt das keinem?», zitierte er Elfriede Jelinek. Das Wort «Beziehungsarbeit» gefällt dem Paartherapeuten Klaus Heer ohnehin nicht so recht, Liebe solle doch etwas Freude bereiten. Und müsse man wirklich immer und über alles tiefgründig reden? Verliebte seien redselig, doch das verliere sich im Lauf der Zeit und sei nicht weiter schlimm. Doch schweigen allein macht auch niemand glücklich. Stattdessen sollten Paare «zusammen laut denken», empfiehlt Heer, also die Biografie täglich updaten und einander vom Alltag erzählen – statt nur immer den Alltag organisieren. Und wenn «Beziehungsgespräche» unbedingt nötig seien, dann in Frageform: «Weisch noh?» (Geschichten aus der gemeinsamen Schatztruhe erzählen) Oder: Was macht dich zufrieden mit mir? Inwiefern bin ich eine Zumutung für dich? Fragen allein hilft allerdings auch nicht weiter, entscheidend sei, dass man richtig zuhören könne, sagt Klaus Heer, was vielen Paaren schwerfalle, wie er oft in seiner Praxis erfahre.
Lieber Küsse statt nur «Müntschi»
Klaus Heer, der 1975 mit seiner Radiosendung «Sind Sie sinnlich?» für viel Aufsehen sorgte, kam in seinem Vortrag auch auf die körperliche Nähe zu sprechen. Berühren sei existenziell, sagte er, bei einem Paar mit akutem Berührungsdefizit sterbe die Liebe ab. Aber Berührungen müssten keineswegs stets sexualisiert sein, auch niederschwellige Berührungsrituale wie sich mit einem Kuss verabschieden oder begrüssen seien wichtig für die Beziehung. Allerdings, so Heer, sollten es nicht so trockene «Müntschi» sein, wie man sie eigentlich der Tante auf die Wangen drücke. Dem Paartherapeuten Heer gefällt auch das Hand in Hand gehen von alten Ehepaaren. Das sei nicht das «Händli halten» wie bei Jungverliebten, so Heer, sondern sich gegenseitig an der Hand halten und so einander Stütze sein.
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor