Tagesanzeiger vom 10. Juli 2008
Einfach mal heiraten - und dann den Partner lieben lernen
Vergessen Sie das romantische Glück! Den Idealpartner gibt es nämlich nicht. Die Ehe ist aber lernbar. Damit können Sie das Scheidungsrisiko minimieren. Ein kleiner Leitfaden.
Von ANTONIO CORTESI
Von ANTONIO CORTESI
Es ist verrückt. In der Schweiz wird inzwischen jede zweite Ehe geschieden. Das schreckt aber offenbar nur wenige ab. Denn nach wie vor schliessen jedes Jahr rund 40 000 Paare den Bund fürs Leben. Und wirklich verrückt: Die meisten Bräute und Bräutigame glauben dabei an das ewige Glück zu zweit. Sie starten einen Blindflug, obwohl sie eigentlich wissen müssten, dass der Absturz programmiert ist.
Namhafte Ehetherapeuten bestätigen den paradoxen Befund. Der Berner Klaus Heer, seit 35 Jahren im Geschäft mit scheiternden Beziehungen, benutzt einen schonungslosen Vergleich: «Wenn man sich lustvoll einer Mahlzeit hingibt, kümmert man sich nicht ums andere Ende des Verdauungskanals. Das ist auch bei der romantischen Liebe so. Das Glück kann sich das Unglück eben nicht vorstellen.»
Für das kopflose Verhalten verantwortlich ist die biologische Beschaffenheit des Menschen, genauer das Hormon Phenylethylamin. Es bewirkt einen Anstieg des Blutzuckerspiegels und hat eine anregende Wirkung auf das Zentralnervensystem. In der märchenhaften Startphase einer Beziehung ist es in rauen Mengen vorhanden. Klaus Heer nennt es «das
Verliebtheitshormon, das den Verstand schwächt». Doch nach durchschnittlich 90 Tagen geht die Phase unweigerlich zu Ende. Was dann?
Dann kommt ein anderes Hormon ins Spiel, das Oxytozin. Es dient der Erhaltung der menschlichen Spezies und wird bei der Frau spätestens bei der Geburt des ersten Kindes ausgeschüttet. Heer nennt es «das Hormon für Bindung und Geborgenheit». Oxytozin ist zwar ebenfalls ein Glückshormon, kannibalisiert aber zugleich definitiv das Hochgefühl der romantischen Zweisamkeit. «Ein Kind ist häufig so etwas wie ein Liebesterrorist», sagt Heer, «es bombt die Zweierbeziehung aus und macht eine Familie daraus. Und meistens geht auch die Sexualität zu Ende.» Für Väter und Mütter eine oft erschütternde, aber kaum vermeidbare Erfahrung. Dennoch wäre Fatalismus fehl am Platz, denn der Mensch ist nicht zu hundert Prozent biologisch determiniert. Beweis dafür ist die Tatsache, dass immerhin jede zweite Ehe nicht in die Brüche geht. Das lässt zumindest hoffen. Und es gibt Strategien, mit denen sich das Scheidungsrisiko vermindern lässt.
Drei Regeln, damit es klappt
Regel 1: Nie nur aus Liebe heiraten! Die Vernunftehe hat grössere Erfolgschancen. Der amerikanische Verhaltensforscher Robert Epstein nimmt sogar die arrangierten Ehen asiatischer Länder zum Vorbild: Partner, die sich zu Beginn ihrer Beziehung nicht restlos verfallen sind, haben ein geringeres Absturzrisiko. Sie können sich aber trotzdem lieben lernen, denn die Ehe ist trainierbar. Die gegenseitige Wertschätzung kann wachsen und zu einer auch erotisch erfüllten Beziehung führen. Dazu ist allerdings meist harte Arbeit nötig. Wenn Fachleute beim Coaching mithelfen, umso besser. «Damit eine Vernunftehe gelingt, braucht es jedoch auch eine Portion Glück und bereits zu Beginn einen gewissen Herzensanteil», ergänzt Klaus Heer.
Regel 2: Sich nicht auf Partnerbörsen im Internet verlassen! Die immense Auswahl im World Wide Web täuscht vor, dass es einfacher sei, den richtigen Partner zu finden, weil sich der Zufallsfaktor minimieren lasse.
Namhafte Ehetherapeuten bestätigen den paradoxen Befund. Der Berner Klaus Heer, seit 35 Jahren im Geschäft mit scheiternden Beziehungen, benutzt einen schonungslosen Vergleich: «Wenn man sich lustvoll einer Mahlzeit hingibt, kümmert man sich nicht ums andere Ende des Verdauungskanals. Das ist auch bei der romantischen Liebe so. Das Glück kann sich das Unglück eben nicht vorstellen.»
Für das kopflose Verhalten verantwortlich ist die biologische Beschaffenheit des Menschen, genauer das Hormon Phenylethylamin. Es bewirkt einen Anstieg des Blutzuckerspiegels und hat eine anregende Wirkung auf das Zentralnervensystem. In der märchenhaften Startphase einer Beziehung ist es in rauen Mengen vorhanden. Klaus Heer nennt es «das
Verliebtheitshormon, das den Verstand schwächt». Doch nach durchschnittlich 90 Tagen geht die Phase unweigerlich zu Ende. Was dann?
Dann kommt ein anderes Hormon ins Spiel, das Oxytozin. Es dient der Erhaltung der menschlichen Spezies und wird bei der Frau spätestens bei der Geburt des ersten Kindes ausgeschüttet. Heer nennt es «das Hormon für Bindung und Geborgenheit». Oxytozin ist zwar ebenfalls ein Glückshormon, kannibalisiert aber zugleich definitiv das Hochgefühl der romantischen Zweisamkeit. «Ein Kind ist häufig so etwas wie ein Liebesterrorist», sagt Heer, «es bombt die Zweierbeziehung aus und macht eine Familie daraus. Und meistens geht auch die Sexualität zu Ende.» Für Väter und Mütter eine oft erschütternde, aber kaum vermeidbare Erfahrung. Dennoch wäre Fatalismus fehl am Platz, denn der Mensch ist nicht zu hundert Prozent biologisch determiniert. Beweis dafür ist die Tatsache, dass immerhin jede zweite Ehe nicht in die Brüche geht. Das lässt zumindest hoffen. Und es gibt Strategien, mit denen sich das Scheidungsrisiko vermindern lässt.
Drei Regeln, damit es klappt
Regel 1: Nie nur aus Liebe heiraten! Die Vernunftehe hat grössere Erfolgschancen. Der amerikanische Verhaltensforscher Robert Epstein nimmt sogar die arrangierten Ehen asiatischer Länder zum Vorbild: Partner, die sich zu Beginn ihrer Beziehung nicht restlos verfallen sind, haben ein geringeres Absturzrisiko. Sie können sich aber trotzdem lieben lernen, denn die Ehe ist trainierbar. Die gegenseitige Wertschätzung kann wachsen und zu einer auch erotisch erfüllten Beziehung führen. Dazu ist allerdings meist harte Arbeit nötig. Wenn Fachleute beim Coaching mithelfen, umso besser. «Damit eine Vernunftehe gelingt, braucht es jedoch auch eine Portion Glück und bereits zu Beginn einen gewissen Herzensanteil», ergänzt Klaus Heer.
Regel 2: Sich nicht auf Partnerbörsen im Internet verlassen! Die immense Auswahl im World Wide Web täuscht vor, dass es einfacher sei, den richtigen Partner zu finden, weil sich der Zufallsfaktor minimieren lasse.
Das ist erstens eine Illusion, weil die Schnittmenge von gemeinsamen Interessen ein zu simples Kriterium für ein erfolgreiches Zusammenleben ist. Zweitens steigt der Druck, den einzig wahren und idealen Partner zu finden (den es aber nicht gibt). Für erfahrene Paartherapeuten sind Internetpartnerbörsen hauptsächlich eine Form des Entertainments.
Regel 3: Hände und Augen weg von Pornos! «Sie sind für die Männer ein Herz- und Hirngift und machen guten Sex mit der Partnerin kaputt», sagt Klaus Heer. Denn Pornos regen nicht etwa die Fantasie an, sondern reduzieren sie auf das langweiligste Sex-Einerlei. Männern, die zu viele Pornos schauen, fällt es schwer, auf ihre Partnerin einzugehen und mit ihr eine erfüllte Sexualität zu leben.
So weit drei Hauptregeln für eine Partnerschaft mit Erfolgschancen. Weil die Psychologie keine exakte Wissenschaft ist, sind auch sie von beschränkter Gültigkeit. «Die Ehe ist und bleibt ein Mysterium», sagt Heer. Mit Vorsicht zu geniessen sind auch die unzähligen Studien und Statistiken zum Thema. Eine kleine Ausbeute sei dennoch zitiert - als Ermutigung oder Richtschnur für all jene, die das Wagnis Ehe trotz hoher Scheidungsrate eingehen.
Das sagt die Statistik
Am höchsten ist das Scheidungsrisiko laut einer Zürcher Studie von 2006 bei binationalen Ehen - besonders dann, wenn die Frau Schweizerin ist. Von den 1994 geschlossenen Ehen letzterer Art waren zehn Jahre später 75 Prozent wieder geschieden. Stammen der Mann und die Frau aus der Schweiz, beträgt die Scheidungsrate im gleichen Zeitraum lediglich 15 Prozent.
Wer heiratet, lebt länger. Dieses ermutigende Resultat ergab eine Langzeitstudie in Kalifornien. Die Wissenschaftler vermuten, dass Single früher ableben, weil sie sozial eher isoliert sind und es an der Fürsorge durch den Partner, erwachsene Kinder und Verwandte mangelt.
Rund die Hälfte der Geschiedenen heiratet wieder. Allerdings sind die zweiten Ehen um zehn Prozent scheidungsanfälliger als die ersten. Bei der dritten Ehe erhöht sich das Scheidungsrisiko um weitere zehn Prozent. Dazu Klaus Heer: «Diese Leute entwickeln sich offenbar zu Scheidungsprofis. Mit der Übung verliert die Scheidung an Schrecken.»
Und nicht zuletzt: Das Modell einer Paarbeziehung, die das Treueprinzip hochhält, widerspricht im Grunde der Lebenserwartung heutiger Menschen. Um 1900 starb einer der Partner nach 15 Jahren, heute erst nach 50 Jahren.
Als Trost für all jene, die doch lieber kapitulieren, als sich auf das Abenteuer Ehe einzulassen, sei zum Schluss ein weiser Satz von Brigitte Bardot zitiert. Man wechsle zwar die Ehemänner, aber nicht die Freunde, sagte die französische Filmschauspielerin einmal. Das einstige Sex-Idol war viermal verheiratet.
Der schönste Tag endet oft in der Sackgasse: Jede zweite Ehe wird geschieden, doch das Risiko lässt sich minimieren.
Regel 3: Hände und Augen weg von Pornos! «Sie sind für die Männer ein Herz- und Hirngift und machen guten Sex mit der Partnerin kaputt», sagt Klaus Heer. Denn Pornos regen nicht etwa die Fantasie an, sondern reduzieren sie auf das langweiligste Sex-Einerlei. Männern, die zu viele Pornos schauen, fällt es schwer, auf ihre Partnerin einzugehen und mit ihr eine erfüllte Sexualität zu leben.
So weit drei Hauptregeln für eine Partnerschaft mit Erfolgschancen. Weil die Psychologie keine exakte Wissenschaft ist, sind auch sie von beschränkter Gültigkeit. «Die Ehe ist und bleibt ein Mysterium», sagt Heer. Mit Vorsicht zu geniessen sind auch die unzähligen Studien und Statistiken zum Thema. Eine kleine Ausbeute sei dennoch zitiert - als Ermutigung oder Richtschnur für all jene, die das Wagnis Ehe trotz hoher Scheidungsrate eingehen.
Das sagt die Statistik
Am höchsten ist das Scheidungsrisiko laut einer Zürcher Studie von 2006 bei binationalen Ehen - besonders dann, wenn die Frau Schweizerin ist. Von den 1994 geschlossenen Ehen letzterer Art waren zehn Jahre später 75 Prozent wieder geschieden. Stammen der Mann und die Frau aus der Schweiz, beträgt die Scheidungsrate im gleichen Zeitraum lediglich 15 Prozent.
Wer heiratet, lebt länger. Dieses ermutigende Resultat ergab eine Langzeitstudie in Kalifornien. Die Wissenschaftler vermuten, dass Single früher ableben, weil sie sozial eher isoliert sind und es an der Fürsorge durch den Partner, erwachsene Kinder und Verwandte mangelt.
Rund die Hälfte der Geschiedenen heiratet wieder. Allerdings sind die zweiten Ehen um zehn Prozent scheidungsanfälliger als die ersten. Bei der dritten Ehe erhöht sich das Scheidungsrisiko um weitere zehn Prozent. Dazu Klaus Heer: «Diese Leute entwickeln sich offenbar zu Scheidungsprofis. Mit der Übung verliert die Scheidung an Schrecken.»
Und nicht zuletzt: Das Modell einer Paarbeziehung, die das Treueprinzip hochhält, widerspricht im Grunde der Lebenserwartung heutiger Menschen. Um 1900 starb einer der Partner nach 15 Jahren, heute erst nach 50 Jahren.
Als Trost für all jene, die doch lieber kapitulieren, als sich auf das Abenteuer Ehe einzulassen, sei zum Schluss ein weiser Satz von Brigitte Bardot zitiert. Man wechsle zwar die Ehemänner, aber nicht die Freunde, sagte die französische Filmschauspielerin einmal. Das einstige Sex-Idol war viermal verheiratet.
Der schönste Tag endet oft in der Sackgasse: Jede zweite Ehe wird geschieden, doch das Risiko lässt sich minimieren.
© Dr. Klaus Heer: Psychologe – Paartherapeut – Autor